Mister Perfekt
Normalerweise geht es mir nach ein paar Bier prima.«
»Gestern Abend ging es dir auch prima. Nur heute Morgen sieht es anders aus.«
»Du denkst, ich hätte einen Kater. Falsch. Also gut, ein bisschen Kopfweh, aber nicht stark. Das soll dir nur eine Warnung sein, falls du mich heute Nacht noch mal vom Schlafen abhalten willst.«
»Ich habe dich vom Schlafen abgehalten? Ich habe dich vom Schlafen abgehalten?«, wiederholte er fassungslos. »Du bist doch die Frau, die mich gestern um zwei Uhr nachts aus dem Tief schlaf wachgerüttelt hat, oder?«
»Ich habe dich nicht wachgerüttelt. Ich habe mich auf dich gesetzt, aber wachgerüttelt habe ich dich nicht.«
»Auf mich gesetzt«, wiederholte er.
»Du hattest einen Steifen. Den konnte ich doch nicht einfach so stehen lassen, oder?«
»Du hättest mich wecken können, bevor du anfingst, ihn nicht stehen zu lassen.«
»Pass mal auf«, erklärte sie ihm genervt, »wenn du möchtest, dass ich ihn in Ruhe lasse, dann brauchst du nicht auf dem Rücken zu liegen und ihn so hochzurecken. Wenn das keine Einladung sein soll, dann weiß ich wirklich nicht.«
»Ich habe geschlafen. Er macht das von selbst.« Genau besehen machte er es schon wieder von selbst. Er piekte ihr in den Bauch.
Sie sah nach unten und... lächelte. Ein Lächeln, bei dem sich seine Hoden vor Furcht am liebsten in die Bauchhöhle verzogen hätten.
Schniefend drehte sie ihm den Rücken zu und duschte in aller Ruhe fertig, ohne ihn zu beachten.
»Hey!«, meldete er sich. Seine Stimme klang verängstigt.
»Den hier willst du doch auch nicht so stehen lassen, oder?«
Sie schafften es noch rechtzeitig zum Bestattungsinstitut, wenn auch nur knapp.
Er fuhr mit ihr zurück zu Lunas Wohnung, wo sie ihr Auto abholten, damit der Mörder, falls er am Grab auftauchte, sie nicht aus Sams Auto steigen sah und sich ausrechnen konnte, wo sie untergeschlüpft war. Solange die Cobra in seiner Garage stand, musste er den Pickup entweder in der Einfahrt oder in Jaines Garage parken, was absolut nervtötend war, weil sie kein automatisches Garagentor hatte.
Er fühlte sich entspannt, und auch Jaine war unendlich viel sanftmütiger als zuvor. Therapeutischer Sex war eine fantastische Erfindung. Volle fünf Minuten hatte ihr Widerstand angehalten, aber gerade als er ernsthafte Beklemmungen bekommen hatte, hatte sie sich mit einem Funkeln in den ach so blauen Augen an ihn geschmiegt und geflüstert: »Irgendwie bin ich verkrampft. Ich glaube, ich sollte mich entspannen lassen.«
Sie sah einfach toll aus, fand er, während er sie quer durch den Raum musterte. Sie trug ein elegantes marineblaues Ensemble, das genau über ihrem Knie endete, und dazu sexy Pumps. Er hatte zuschauen dürfen, während sie ihr so genanntes »Beerdigungsgesicht« auftrug. Allem Anschein nach verfolgten Frauen je nach Anlass eine unterschiedliche Schmink-Strategie.
Ihr Eyeliner und die Mascara waren wasserfest, damit sie nicht verschmierten. Kein Rouge, keine Grundierung, nur etwas Puder, weil sie viele Menschen umarmen würde und keine Schmierflecken dabei hinterlassen wollte. Und einen kussechten Lippenstift in einem Farbton, den sie als »diskretes Mauve« bezeichnete, obwohl Sam keine Ahnung hatte, was Mauve sein sollte. Für ihn sah ihr Lippenstift irgendwie pink aus, aber eine Frau konnte unmöglich einfach nur »pink« sagen.
Frauen waren fremde Wesen. Aliens. Das war die einzig mögliche Erklärung.
Cheryl trug Schwarz und sah ausgesprochen würdevoll aus.
Ihr Mann hatte sich zu ihr gesellt und stand neben ihr, ihre Hand haltend. T.J. trug ein dunkelgrünes Kostüm, ihr Mann war ebenfalls gekommen. Mit seinem korrekt geschnittenen braunen Haar und dem ebenmäßigen Gesicht war Mr. Yother der Prototyp des properen Amerikaners. Er hielt T.J. nicht bei der Hand, und Sam fiel auf, dass T.J. kaum je zu ihm hinsah. Da gab es wohl Probleme, vermutete er.
Luna trug einen figurbetonten Schlauch in Rot, der an ihrer Wade endete. Sie war einfach wunderschön. Als sie zu Jaine trat, näherte sich auch Sam, um mitzubekommen, was die beiden sprachen.
»Marci hat Rot geliebt«, sagte Jaine. Sie lächelte Luna an und fasste nach ihrer Hand. »Ich wünschte, ich hätte daran gedacht.«
Lunas Lippe bebte. »Ich wollte ihr ein stilvolles letztes Geleit geben. Das ist doch nicht geschmacklos, oder?«
»Machst du Witze? Es ist toll. Jeder, der Marci gekannt hat, wird es verstehen, und wer Marci nicht gekannt hat, kann uns egal sein.«
Roger
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