Misterioso
verwenden Munition aus der Waffenfabrik in Pavlodar, Kasachstan, über die wir bereits gesprochen haben. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass diese Munition von den meisten Gruppen benutzt wird und dass der schwer einzugrenzende Haufen um Viktor X in Tallinn eine relativ unbedeutende Randerscheinung darstellt. Wir haben es mit sieben oder acht Gangsterligen zu tun, die Tallinn und den östlichen Teil des Landes unter sich aufgeteilt haben und es normalerweise vermeiden, die Grenzen dieser Gebiete zu überschreiten. Über ihre Kontakte zu der größeren, rein russischen Mafia, wissen wir recht wenig. Von Jugoslawien mal abgesehen, steht Estland momentan an der Spitze der europäischen Mordstatistik. Wir haben über hundert Morde pro Jahr. Und Tallinn gehört zu den Städten mit der höchsten Mordrate der Welt. Diese Tatsache sollten Sie immer im Hinterkopf haben, wenn Sie sich auf unsere Straßen wagen.«
»Gehören Sie zum Kommando K?« fragte Norlander.
»Nein, wir sind die Kriminalpolizei. Das Kommando K ist unsere Antiterrorgruppe. Unser verlängerter Arm sozusagen – und die einzige physische Waffe im Kampf gegen das Verbrechen. Die Leute neigen zweifellos dazu, zu weit zu gehen, aber sie sind nun mal unsere einzige wirkliche Waffe. Die eigentlichen Ermittlungen werden allerdings von uns, der normalen Kriminalpolizei, geführt. Das Kommando K ist eine reine Angriffstruppe.«
In der folgenden Pause zog Laikmaa ein weiteres Blatt Papier aus dem Stapel.
»Wir wissen, dass Viktor X bei Schutzgeldaktivitäten um ein schwedisches Medienunternehmen mitmischt, das sich unter anderem mit einer täglich erscheinenden Wirtschaftszeitung in Russland und im Baltikum zu etablieren versucht. Das Unternehmen läuft international unter dem Namen Grime-Bear Publishing Inc. Ich weiß nicht, wie es in Schweden firmiert, habe mir aber sagen lassen, dass es dort sozusagen das Medienmonopol haben soll. Ist das nicht etwas seltsam in einer Demokratie?«
Norlander hatte nicht die leiseste Ahnung. Er machte einen Vermerk in seinem Notizbüchlein und wechselte abrupt das Thema.
»Ich bin auf eine neue Spur gestoßen. Ein gewisser Juri Maarja. Er steht hinter den Flüchtlingstransporten nach Gotland.«
»Nicht allein«, sagte Kahu Laikmaa nach kurzem Zögern. Norlander sah, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte. Laikmaa schien abzuwägen, wie viel er sagen durfte, und Norlander beschloss, ihm die Sache ein wenig zu erleichtern.
»Die Flüchtlingstransporte an sich sind uns egal. Das ist nun mal, wie es ist. Das einzige, was uns interessiert, ist der mögliche Zusammenhang mit der Mordserie.«
»Und wie sollte so ein Zusammenhang aussehen?« fragte Laikmaa misstrauisch.
Norlander schwieg und hoffte, unergründlich und nicht unsicher zu wirken. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, wie vage der Zusammenhang eigentlich war.
»Ich verstehe«, sagte Laikmaa, als ihm aufging, dass er keine Antwort auf seine Frage bekommen würde. »Sie behalten Ihre Geheimnisse für sich, und ich verrate Ihnen meine. Sieht so unser Abkommen aus?«
»Ich bin sorry«, sagte Norlander. »Es geht um die Sicherheit Schwedens. Und Sie haben ja selbst gesagt, dass wir möglicherweise abgehört werden.«
»Das war ironisch gemeint«, sagte Laikmaa, dem zu dämmern begann, von welcher Art sein Gesprächspartner war. »Also gut. Juri Maarja spricht Schwedisch, was von gewissem Interesse sein könnte. Er hat etliche Jahre in Schweden gelebt, ohne in einem Polizeiregister aufzutauchen. Soweit wir wissen, gehört er zum engeren Kreis um Viktor X. Außerdem ist uns bekannt, dass er – neben vielen anderen – mit Flüchtlingsschmuggel zu tun hat. Wir haben Anweisungen von oberster Stelle, gegen diese spezielle Art von Schmuggel nicht zu rigide vorzugehen. Die baltischen Staaten platzen bald aus den Nähten vor wartenden Flüchtlingen, die glauben, Schweden sei das Himmelreich. Anscheinend haben sie eine veraltete Karte.«
Norlander sah ihn ungerührt an. Laikmaa schien noch etwas auf dem Herzen zu haben.
»Das ist doch noch nicht alles«, sagte Norlander.
Laikmaa seufzte, sichtlich bemüht, die guten baltisch-skandinavischen Beziehungen nicht aus den Augen zu verlieren, die Abhängigkeit der Esten von der Unterstützung der Schweden, und dachte an die Ausweisung von Balten und das Benehmen schwedischer Firmen im Baltikum.
Norlander entging die Vielschichtigkeit des Seufzers, er hörte nur, was Laikmaa tatsächlich antwortete.
»Ich habe den Tag damit
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