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Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge

Titel: Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Schenkel der Mutter.
    »Und du musst Thaddeus sein«, sagte Olive.
    Der Junge heulte los.
    »Theodore«, sagte Ann. »Süßer, das macht doch nichts. Den Leuten passieren eben Fehler. Das haben wir doch schon besprochen, weißt du nicht mehr?«
    Auf Anns Wange prangte ein roter Ausschlag, der sich seitlich den Hals hinabzog, bis unter das riesige schwarze T-Shirt, das sie zu ihren schwarzen Leggings trug. Sie war barfuß; auf ihren Zehennägeln sah man Reste von rosa Nagel lack.
    »Ich sollte mich vielleicht hinsetzen«, sagte Olive.
    »Oh, natürlich«, sagte Ann. »Liebling, schieb deiner Mutter den Stuhl da rüber.«
    Und während der Aluminiumliegestuhl über den Beton schrammte und der kleine Junge heulte und Ann sagte: »Theodore, was ist denn, mein Gott?« - mitten in alledem hörte Olive, als sie sich auf dem Liegestuhl zurücklehnte, die eine Sandale an, die andere aus, klar und deutlich ein Halleluja.
    »Theodore, Süßer, bitte, bitte, bitte hör zu weinen auf.«
    In dem Planschbecken patschte das Baby aufs Wasser und quietschte. »Verflixt, Annabelle«, sagte Christopher. »Nicht so laut.«
    Gepriesen sei Jesus Christus, sagte es über ihnen ganz deutlich.
    »Was um Himmels willen …«, setzte Olive an, legte den Kopf zurück und blinzelte nach oben.
    »Wir haben das Obergeschoss an einen Christen vermietet«, flüsterte Ann augenrollend. »Ich meine, wer rechnet in so einer Gegend schon mit einem Mieter, der Christ ist?«
    »Ein Christ?« Olive sah wieder ihre Schwiegertochter an,
heillos verwirrt jetzt. »Bist du Muslimin, Ann? Ist das ein Problem?«
    »Muslimin?« Anns breites, freundliches Gesicht war Olive zugewandt, während sie sich bückte, um die Kleine aus dem Becken zu heben. »Ich bin keine Muslimin.« Und zweifelnd:
    »Moment, aber du bist doch nicht Muslimin, oder? Christopher hat mir nie …«
    »Du liebe Güte«, sagte Olive.
    »Was sie meint«, erklärte Christopher seiner Mutter, über einen großen Grill gebeugt, der bei der Treppe stand, »ist, dass die meisten Leute hier im Viertel keine Kirchgänger sind. Wir wohnen im coolen Teil von Brooklyn, Mutterherz, hier geht es hip zu, hier ist man entweder zu künstlerisch, um an Gott zu glauben, oder zu beschäftigt mit Geldverdienen. Insofern ist es ein bisschen ungewöhnlich, einen Mieter zu haben, der ein echter sogenannter Christ ist.«
    »Du meinst, ein Fundamentalist«, sagte Olive, neuerlich verblüfft von der Redelust ihres Sohns.
    »Genau«, sagte Ann. »Genau das ist er. Fundamental christlich, verstehst du?«
    Der Junge hatte zu weinen aufgehört und sagte, ohne das Bein seiner Mutter loszulassen, mit hoher, wichtiger Stimme zu Olive: »Jedes Mal, wenn wir fluchen, sagt der Papagei ›Gepriesen sei Jesus Christus‹ oder ›Gott ist groß‹.«
    Und zu Olives Entsetzen und Erstaunen schaute das Kind himmelwärts und rief ganz laut: »Scheiße!«
    »Süßer«, sagte Ann und strich ihm übers Haar.
    Gelobt sei der Herr, kam die Antwort von oben.
    »Das ist ein Papagei?«, sagte Olive. »Großer Gott, er klingt wie meine Tante Ora.«
    »Ja, ein Papagei«, sagte Ann. »Verrückt, oder?«
    »Hättet ihr Haustiere nicht einfach verbieten können?«
    »Oh, das würden wir nie machen. Wir lieben Tiere doch.

    Unser Dog-Face hier ist ein richtiges Familienmitglied.« Ann nickte zu dem schwarzen Hund hinüber, der auf sein schmuddeliges Lager zurückgekehrt war und die lange Schnauze auf die Pfoten gebettet hatte, die Augen geschlossen.
     
    Olive brachte ihr Essen kaum herunter. Sie hatte gedacht, Christopher würde Hamburger grillen. Aber er hatte Tofu-Hotdogs gegrillt und dazu für die Erwachsenen Austern aus der Dose in die angeblichen Hotdogs gestopft.
    »Alles in Ordnung, Mom?« Die Frage kam von Ann.
    »Wunderbar«, sagte Olive. »Wenn ich auf Reisen bin, habe ich bloß manchmal nicht so viel Appetit. Ich glaube, ich esse einfach nur das Brötchen.«
    »Okay. Nimm dir, was du willst. Theodore, ist das nicht fein, dass Oma zu Besuch ist?«
    Olive legte das Brötchen auf ihren Teller zurück. Keine Sekunde lang war sie auf den Gedanken gekommen, sich als die »Oma« von Anns Kindern zu sehen - die, wie sie eben erst erfahren hatte, als die Hotdogs vor sie hingestellt worden waren, nicht denselben Vater hatten. Theodore schwieg auf die Frage seiner Mutter und glotzte Olive nur an, während er mit offenem Mund kaute und schauerlich schmatzte dabei.
    Das Essen dauerte keine zehn Minuten. Olive sagte Chris, sie würde ja gern beim

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