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Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge

Titel: Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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wunderbare Frau.«
    Olive nickte.
    Louise beugte sich vor, beide Hände im Schoß. Sie nickte rhythmisch mit dem Kopf und sang leise: »Boys go to Jupiter to get more stupider, girls go to college to get more knowledge.« Sie lachte ihr weiches Lachen und setzte sich wieder gerade hin. »Roger ist schnurstracks zu seiner Geliebten in Bangor gelaufen.« Wieder das weiche Lachen. »Aber sie hat ihn abblitzen lassen, der Ärmste.«
    Für Olive war es mehr als nur Enttäuschung. Sie spürte einen fast verzweifelten Drang, aufzustehen und zu gehen, aber daran war nicht zu denken, schließlich hatte sie sich Louise ja aufgedrängt - hatte ihr zurückgeschrieben und darum gebeten, sie besuchen zu dürfen.
    »Sie haben wahrscheinlich schon daran gedacht, sich umzubringen.« Louise sagte es heiter, als tauschten sie Rezepte für Zitronenkuchen aus.
    Olive empfand eine flüchtige Desorientiertheit, als hätte sie einen Fußball an den Kopf bekommen. »Aber das würde doch kein einziges Problem lösen«, sagte sie.
    »Aber sicher«, sagte Louise liebenswürdig. »Es würde Ihre sämtlichen Probleme lösen. Die Frage ist nur, wie machen Sie es.«
    Olive setzte sich etwas anders hin, berührte ihre Handtasche, die neben ihr stand.
    »Bei mir wären es natürlich Tabletten und Alkohol. Aber Sie - ich sehe Sie nicht so recht als den Tablettentyp. Irgendetwas Gewaltsameres. Die Pulsadern, aber das dauert.«

    »Jetzt ist aber gut«, sagte Olive. Aber sie konnte nicht anders, sie musste hinzufügen: »Es gibt Leute, die auf mich angewiesen sind. Herrgott noch mal.«
    »Das ist es.« Louise hielt einen knochigen Finger hoch und legte den Kopf schief. »Doyle lebt für mich. Also lebe ich für ihn. Ich schreibe ihm jeden Tag. Ich besuche ihn, sooft ich die Erlaubnis bekomme. Er weiß, dass er nicht allein ist, und dafür bleibe ich am Leben.«
    Olive nickte.
    »Aber Christopher ist ja wohl nicht auf Sie angewiesen, oder? Er hat seine Frau.«
    »Sie hat sich von ihm scheiden lassen«, sagte Olive. Es war seltsam, wie leicht es sich sagte. Denn bisher hatten Henry und sie es niemandem erzählt, nur ihren Freunden ein Stück flussaufwärts, Bill und Bunny Newton. Solange Christopher in Kalifornien blieb, ging das keinen etwas an, fanden sie.
    »Aha«, sagte Louise. »Gut, dann wird er sich eine neue suchen. Und Henry ist genausowenig auf Sie angewiesen, meine Liebe. Er weiß weder, wo er ist, noch, wer bei ihm ist.«
    Wut kochte in Olive hoch. »Woher wollen Sie das wissen? Das stimmt nicht. Er weiß verdammt genau, dass ich da bin.«
    »Meinen Sie? Das hört sich bei Mary ganz anders an.«
    »Was für einer Mary?«
    Louise drückte sich übertrieben bestürzt den Finger an die Lippen. »Ups.«
    »Mary Blackwell? Sie sind in Kontakt mit Mary Blackwell?«
    »Mary und ich sind alte Bekannte«, erklärte Louise.
    »So. Stimmt, über Sie hat sie auch so einiges erzählt.« Olive merkte, dass ihr Herz hämmerte.
    »Und alles davon wahr, nehme ich an.« Louise lachte dieses weiche Lachen und machte eine Schlenkerbewegung, als wollte sie Nagellack trocknen.

    »Sie sollte keine Geschichten aus dem Pflegeheim herumtratschen.«
    »Also kommen Sie, Olive. So sind die Menschen eben. Ich hatte immer den Eindruck, dass gerade Sie das verstehen.«
    Ein Schweigen zog ins Zimmer, wie dunkle Gase, die aus den Ecken traten. Es gab keine Zeitungen hier drin, keine Illustrierten, keine Bücher.
    »Was machen Sie den ganzen Tag?«, fragte Olive. »Wie kommen Sie zurecht?«
    »Ah«, sagte Louise. »Wollen Sie Unterricht nehmen?«
    »Nein«, sagte Olive. »Ich bin hier, weil Sie mir so freundlich geschrieben haben.«
    »Ich fand es immer schade, dass meine Kinder Sie nicht als Lehrerin hatten. Bei so vielen Leuten fehlt einfach dieser gewisse Funke , nicht wahr, Olive? Sind Sie sicher, dass Sie nicht doch einen Tee möchten? Ich hole mir jedenfalls welchen.«
    »Nein, vielen Dank.« Olive sah Louise zu, wie sie aufstand und durchs Zimmer ging. Sie bückte sich, um einen Lampenschirm geradezurücken, und das Strickkleid fiel nach vorn, so dass sich ihr dünner Rücken abzeichnete. Olive begriff nicht, wie man so dünn und trotzdem am Leben sein konnte. »Sind Sie krank?«, fragte sie, als Louise mit einer Teetasse samt Untertasse zurückkehrte.
    »Krank?« Louise lächelte wieder auf eine Art, die Olive im weitesten Sinne kokett vorkam. »Inwiefern krank, Olive?«
    »Körperlich. Sie sind so dünn. Aber Sie sehen trotzdem wunderschön aus.«
    Louise sprach

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