Mit dem Blick aufs weite Meer
einmal.
Leise erklärte sie: “Du hast recht, ich bin nicht konsequent. Und… nun ja, die Versuchung ist groß, aber ich werde dich trotzdem nicht hereinlassen. Ich habe mir mein Leben vor Jahren einmal verkorkst, weil ich mich von meinen Gefühlen überwältigen ließ.” Sie stockte und fügte dann leise hinzu: “So etwas wird mir nie wieder passieren!”
Sekundenlang betrachtete er sie nachdenklich, ehe er fragte: “Du warst mit deinem Mann nicht sehr glücklich?”
Sie mochte nicht darüber reden. Vor allem wollte sie Kent keine Einblicke in ihr Leben geben, weil es für sie dann noch schwieriger wäre, ihn sich vom Leib zu halten.
“Übertreibst du nicht etwas? Wir reden doch nicht von einer langjährigen Beziehung, sondern dass wir etwas zwischen uns klären müssen”, meinte er.
Angela schaute ihm in die Augen. “Uns lieben?”
“Nenn es, wie du willst. Ich möchte mit dir schlafen, und du willst es auch. Falls du befürchtest, es könnte mehr dahinter sein, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.”
Sie lachte gequält auf. “Du bist widerwärtig.”
“Das ist mir bekannt. Nun gib mir den Schlüssel.” Seine Stimme klang gelangweilt, und Angela wusste, dass die Gefahr vorbei war.
Sie kramte den Schlüssel aus ihrer Handtasche und ging auf die Haustür zu, doch Kent nahm ihn ihr aus der Hand. Er steckte ihn ins Schloss und fluchte leise vor sich hin, als er nicht aufsperren konnte.
“Du musst die Tür leicht anheben. Sie ist etwas widerborstig.”
Kent befolgte ihren Rat und meinte: “Widerborstig, so so. Wie die Dame des Hauses, stimmt’s?” Danach gab er Angela den Schlüssel zurück.
Sie wagte nicht, an ihm vorbeizugehen, weil sie plötzlich Angst hatte, er könnte doch noch hereinkommen.
“Nun geh schon ins Haus!” befahl er schroff.
Sie wollte noch etwas sagen und blieb stehen. Aber ihr fiel nichts ein.
“Hast du deine Meinung geändert?” fragte Kent. “Wenn du mich nicht in deinem Bett haben willst, solltest du so schnell wie möglich hineingehen. Anderenfalls könnte ich dein Zögern als Einladung auffassen.”
Hastig befolgte sie seine n Rat und schlug die Tür hinter sich zu. Erleichtert lehnte sie sich dagegen. Diesmal ist es gerade noch gutgegangen, dachte sie.
Kent blickte auf die Tür. So ein verrückter Tag. Er hatte sich mittags überstürzt von einem Geschäftsessen davongemacht, weil er Angela unbedingt sehen musste. Und nun hatte er sie so kurz vor dem Ziel verärgert.
Gewöhnlich hatte er keine Schwierigkeiten mit Frauen Und fand sich auch in kniffeligen Situationen immer zurecht. Dabei war er kein Schürzenjäger, denn für so etwas ließ ihm die viele Arbeit gar keine Zeit. Aber normalerweise hatte er etwas mehr Taktgefühl. Er hätte ihr nicht so direkt sagen dürfen, dass er mit ihr ins Bett wollte, auch wenn sein Verlangen nach ihr so heftig war, dass er Angst davor bekam.
Auf dem Weg zum Auto sagte er sich, dass er diesmal noch glücklich davongekommen sei.
Er konnte keine leidenschaftliche Liebesbeziehung brauchen, die sein geordnetes Leben durcheinander brachte. Vielleicht gelang es ihm nach dieser erneuten Niederlage, Angela aus seinen Träumen endlich wieder zu verbannen.
6. KAPITEL
“Ein Anruf von Ihrer Schwester auf Apparat drei.” Patricias Stimme klang wie immer geschäftsmäßig kühl.
Beunruhigt hob Kent den Telefonhörer ab. Seine Schwester telefonierte nie mit ihm, sondern schickte in der Regel Telegramme oder Postkarten.
Charlotte wirkte sehr nervös. Während Kent ihren hastigen Atemzügen lauschte, ging es ihm plötzlich durch den Kopf, dass er die Spannungen in seiner Familie allmählich satt hatte.
Meistens war es ihm gelungen, sich aus den Streitigkeiten zwischen seiner Mutter und Charlotte herauszuhalten. Seiner Mutter hatte er nie sehr nahegestanden, aber Charlotte …
“Charlotte, geht es dir gut?”
“Ja. Sehr sogar.”
“Wo steckst du denn?”
“In Port Townsend. Ich… ich habe geheiratet.”
“Harvey?” Nun gab es für ihn also keine Hoffnung mehr, Angela für immer zu vergessen.
“Herzlichen Glückwunsch. Ich glaube, er ist ein guter Mensch.”
“Ja, aber Mutter wird darüber nicht begeistert sein.”
Wohl kaum, dachte Kent. Ihre Tochter verheiratet sich mit einem Schweißer. Kent seufzte und sagte: “Ich werde mit ihr reden, einverstanden?”
“Das wäre gut. Und Kent … könntest du am Wochenende nach Port Townsend kommen?
Bitte.”
Port Townsend - das bedeutete auch, Angela zu treffen.
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