Mit dem Kühlschrank durch Irland
Nachmittag im Bett verbringen.
Zwanzig Minuten später wurden die Chancen dafür zunichte gemacht, denn Michael hielt mit seinem roten Toyota am Straßenrand und lud mich ein, mitzufahren.
Spielverderber.
Michael war ein selbständiger Bauunternehmer auf dem Weg nach Swinford. Er hatte von meiner Reise nichts gehört, meinte aber, dass sie nach einem lustigem Vorhaben klinge. Das Gespräch kam auf die kommenden Wahlen, und ich beging den Fehler, zu fragen, wie das Wahlsystem funktioniere. Als Michael es erklärte, wurde mir klar, dass es ziemlich kompliziert war.
»Das System, das wir haben, beruht auf der übertragbaren Stimme. Man hat nur eine Stimme, aber man kann sie jedem auf dem Stimmzettel geben.«
Schon kapierte ich nichts mehr. Er fuhr fort.
»Man nummeriert die Leute durch, die man wählen möchte, von eins bis sechs oder bis zehn, je nachdem, wie viele Leute auf dem Stimmzettel stehen. Wenn die Person, die man als Nummer eins gewählt hat, eliminiert wird, dann wird die Nummer-zwei-Stimme eine Nummer-eins-Stimme für die zweite Person, die man ausgewählt hat.«
Ah, jetzt fügte sich alles zusammen.
»...und so werden deine Stimmen für die vierte, fünfte oder sechste Auszählung verteilt, bis endlich jemand gewählt worden ist.«
Nein, jetzt verstand ich wieder Bahnhof.
»Es wirkt sehr kompliziert, ist es aber nicht.«
Komm schon, Michael, das ist es schon.
»Das System ist von den Briten entwickelt worden, damit unzählige kleine Parteien gewählt werden und es viel Streit und keinen Zusammenhalt gibt. Aber das System funktioniert in Irland trotzdem sehr gut, denn es gibt die Wünsche der Wähler ganz genau wieder.«
Während unsere Unterhaltung ihren Lauf nahm, beeindruckte Michael mich nicht nur mit seinem umfassenden Wissen, was das irische Wahlsystem angeht, sondern auch mit seiner Artikulationsfähigkeit.
»Du kennst dich gut aus«, stellte ich fest.
»Nun, ich bin interessiert. Nicht in einem parteipolitischen Sinn, sondern eher allgemein. Die Theorie vom Einverständnis, sich regieren zu lassen< interessiert mich. Hier bei uns erklären wir uns einverstanden, uns so regieren zu lassen, und dort, wo du herkommst, erklärt ihr euch mit einer anderen Form von Regierung einverstanden. Das Problem in Nordirland ist, dass es kein breites Einverständnis gibt, sich regieren zu lassen, und das entstellt die Gesellschaft.«
Ich fand, dass man hier ziemlich häufig auf Leute stieß, die wie Michael die beeindruckende Fähigkeit besaßen, sich auszudrücken. Die Leute redeten gern, und sie waren gut darin.
Er setzte mich dort ab, wo die Landstraße aus Swinford in die Schnellstraße N5 mündet, die, wie er mir sagte, mit Geld der EU gebaut worden war. Als er sich zum Rücksitz umdrehte, um seinen Namen auf den Kühlschrank zu schreiben, lachte er herzhaft, als er die Worte >Mo Chuisneoir< sah, die auf der Tür klebten.
»Das heißt >Mein Kühlschrank< nicht wahr?«, sagte er.
»Ja.«
»Jetzt verstehe ich.«
Fast einen Kilometer von mir entfernt sah ich einen anderen Tramper am Straßenrand stehen. Mir blieb kaum etwas anderes übrig, als mich dort aufzubauen, wo Michael mich abgesetzt hatte, aber indem ich dies tat, schob ich mich vor den anderen Kerl. Das schien nicht in Ordnung zu sein, und mir war unwohl dabei. Ohne Zweifel verspürte ich etwas von dem vererbten Zwang der Briten, beim Anstehen fair zu sein. Ich glaube, seine Wurzeln reichen in die Kolonialzeit zurück. Horden aufmüpfiger Eingeborener zu erschießen, war akzeptabel, wenn es nicht anders ging, aber unter keinen Umständen war es erlaubt, sich in einer Schlange vorzudrängeln. Die ganze Raison d’être für das gewaltige British Empire war der Wunsch, die unwissenden Völker der Welt darin zu unterrichten, wie man sich korrekt anstellt. Wir Briten sind auf der ganzen Welt führend, was das Anstehen betrifft. (Naja, wir waren es, bis sich andere Länder vordrängelten.) Und hier stand ich und verstieß gegen meine Pflicht als guter britischer Bürger, dieses grundlegende Menschenrecht zu respektieren!
Aber was konnte ich schon tun? Es war zu weit, um meinen Kühlschrank und meinen Rucksack an dem anderen Tramper vorbeizuschleppen, und daher lag es an ihm, die Situation zu bereinigen. Er muss ziemlich sauer gewesen sein, weil sich jemand vor ihn gestellt hat, zeigte aber keinerlei Anzeichen dafür, dass er herkommen und protestieren würde.
Die N5 war mit Abstand das beste Straßenstück, das ich seit meiner Ankunft
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