Mit dem Teufel im Bunde
kannst nicht glauben, dass ich dich allein in ein solches Haus gehen lasse. Und warum sollte ich derweil in der Kälte herumstehen?»
Rosina unterdrückte ein Stöhnen. Sie hätte es wissen müssen. Es war dumm gewesen, zu glauben, er werde sich so einfach fügen. Er vergaß ständig, dass sie ‹solche› Häuser gewöhnt war und sich darin zu verhalten wusste. Anders als er. Das vergaß wiederum sie ständig. Der Disput war kurz und heftig. Als im zweiten Stock ein Fenster aufging und ein neugieriges Gesicht herunterschaute, gab sie nach.
«Dann komm mit», entschied sie knapp und mit gesenkter Stimme, «die halbe Gasse liegt schon auf der Lauer. Aber lass mich reden. Höre nur zu. Ich kann dir jetzt nicht mehr erklären, was ich dort will. Tobi hat mir etwas erzählt», flüsterte sie, «das ich prüfen muss. Ich erklär’s dir später.»
Ohne weitere Fragen oder auch nur eine Antwort zu riskieren, öffnete sie die Tür und betrat das Gasthaus. Magnus folgte ihr auf dem Fuß. Er dachte nicht daran, ihr mehr als fünf Zoll Vorsprung zu lassen. Sein Vergleich mit Jakobsens Gasthaus stimmte. Rosina hatte auf ihren Reisen eine Menge heruntergekommene Gasthöfe gesehen, dieses Etablissement gehörte zu den übelsten. Es roch nach Schmutz und billigstem Knaster, saurem Bier und Schimmel. Der Boden sah aus, als ahne er seit Störtebekers Zeiten nicht mehr, was Wasser ist, der Spucknapf neben dem Schanktisch war bis zum Rand gefüllt. Sie hatte gedacht, gegen solche Absteigen unempfindlich zu sein, nun fühlte sie sich eines Besseren belehrt.
Die Gaststube war leer, weder an den Tischen noch hinter dem Schanktisch war jemand.
«Lass uns gehen», murmelte Magnus nahe an ihrem Ohr, «hier ist niemand.»
Sein Vorschlag war verlockend, doch da hörte sie ein Schlurfen auf der Treppe, die hinter der halbgeöffneten Tür nach oben führte, und schüttelte den Kopf. Ein Mann schob sich und seinen dicken Bauch rülpsend in die Gaststube, murmelte unwirsch etwas von der verdammten klemmenden Tür und sah seine Gäste verblüfft an. Solche hatte er hier noch nie gesehen.
Er hingegen passte gut hierher. «Seid Ihr der Wirt?», fragte Rosina und fuhr auf sein immer noch staunendes Nicken gleich fort: «Das ist gut, dann seid Ihr der, den wir brauchen. Ich bin auf der Suche nach meiner Schwester, sie wohnt bei Euch, nun ja, zumindest hat sie das. Wir hatten verabredet, uns hier zu treffen, leider sind wir einige Tage später angekommen, als wir geplant hatten. Ich bin aber sicher, dass sie bei Euch abgestiegen ist. Ich und – unser Bruder. Wir haben uns lange nicht gesehen, und nun, wennIhr die Güte hättet, ihr Bescheid zu geben, dass wir da sind?»
Falsch, dachte sie, ganz falsch. Warum hatte sie während der Predigt an alles Mögliche gedacht, nur nicht daran, welches Märchen sie hier am besten erzählte? Warum hatte sie mit diesem Besuch nicht überhaupt bis morgen gewartet? Nun war es zu spät, nun musste sie weitermachen, wie sie begonnen hatte. Das Improvisieren war sie schließlich von der Bühne gewöhnt.
«Womöglich», phantasierte sie weiter, «ist sie schon abgereist. Das wäre allerdings fatal. Sie ist nicht ganz gesund, müsst Ihr wissen, ja, und manchmal, wenn sie einen schlechten Tag hat, hilft sie sich mit einem Schlückchen Branntwein. Das werdet Ihr als guter Wirt verstehen. Ist sie noch hier? Bitte, wir sind begierig, unsere Schwester zu sehen. Und in unsere Obhut zu nehmen. Sicher braucht sie die Obhut ihrer Familie.»
Der Wirt fuhr sich schniefend mit der Hand unter der Nase entlang, lehnte sich schwer gegen den Schanktisch und starrte auf Rosinas kostbaren Pelz.
«Also, nee», sagte er, «nee, wirklich nich. Ihr müsst ja blind sein, wenn Ihr glaubt, eine von Euch wohnt bei uns. Fragt im
Schwarzen Adler
oder im
Kaiserhof
. Da steigen solche Leute ab.»
Rosina schüttelte energisch den Kopf. «Nein. Sie ist hier, das weiß ich. Oder war hier. Ein, nun ja, ein Freund hat gesehen, wie sie hier aus dieser Tür kam.»
Hollmann, der Wirt, grinste. «Freunde sehn dies und das und könn sich irrn. Das weiß jeder. Wie heißt Eure Schwester denn?»
Rosina spürte Wut in sich aufsteigen. Der Blick dieses schmutzigen Menschen war bei ihrer Frage nach der vermeintlichen Schwester für einen Moment unruhig geworden,aber sie hatte nicht nachgedacht und es falsch angefangen. Jetzt half nur ein Frontalangriff. Wenn überhaupt noch etwas half.
«Wie sie heißt, tut überhaupt nichts zur Sache», erklärte
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