Mit den Augen eines Kindes
ich weiß beim besten Willen nicht, wen ich sonst um Hilfe bitten könnte. Mein Mann ist unterwegs. Soweit ich mitbekommen habe, trifft er sich mit diesem Kerl, von dem ich Ihnen letzte Woche erzählt habe, wieder in dem Hotel, Zimmer dreihundertsiebzehn. Dabei hatte er mir doch versprochen …»
Ihre Stimme brach sehr effektvoll. Sie hätte zum Theater gehen sollen. Offenbar befürchtete sie, Hanne könnte mithören. Ich verstand nur knapp die Hälfte der akustischen Show. Besorgte Ehefrau eines kleinen Gauners wendet sich in ihrer Not an den Leitenden Hauptkommissar, um zu verhindern, dass ihr Liebster die ganze Familie ins Unglück stürzt.
Mir summte das Blut in den Ohren, mein Puls beschleunigte sich automatisch, und die Kniegelenke wurden weich. Allein ihre Stimme leerte mir den Schädel und füllte das Becken. Hannes Nähe änderte daran gar nichts. «Ich werde sehen, was ich machen kann», versprach ich und legte auf.
«Musst du nochmal weg?», fragte Hanne verblüfft, als ich mich erhob. Es war ewig nicht mehr vorgekommen, dass ich meinen Feierabend unterbrechen musste.
«Präventionsmaßnahmen», sagte ich und grinste das miese Gefühl beiseite. Ich konnte doch nicht zu ihr sagen: «Nimm die Wäscheleine und binde mich an die Heizung.»
Während der Fahrt nach Köln stellte ich mir vor, dass Marens Mann in Sachen Konkursmasse irgendwo herumfuhr. Ein ahnungsloser Trottel, der sich seit dem vergangenen November glücklich wähnte, verheiratet mit einem Vollblutweib, stolzer Besitzer einer Katastrophe. Und während dieser arme Idiot sich für sie abstrampelte, pfiff sie einmal kurz, und ich sprang. Ich war nämlich der größere Idiot, rannte freiwillig und mit offenen Augen ins blanke Messer.
Es herrschte kaum Verkehr auf der Autobahn. Ich brauchte nur knapp dreißig Minuten bis zum Stadtrand von Köln. Dann erwischte ich auch noch die grüne Welle. Diesmal war das Schicksal nicht den Tüchtigen, nur den Betrügern hold.
Es gab einen kleinen Tisch in Zimmer dreihundertsiebzehn. Er war nicht sehr standfest, ächzte, knarrte und wackelte verdächtig unter Marens Gewicht und meiner Wut. Es muss Wut gewesen sein – oder Verzweiflung. Lass mich los, du Hexe. Lass mich los, verdammt! Ich habe mir meinen Frieden so teuer erkämpft!
Ein paar Mal schrie sie kurz auf, ob vor Lust oder Schmerz, war mir egal. Vermutlich war es Schmerz. Vor Jahren hatte sie mich schließlich gelehrt, dass bestimmte Praktiken ihre Vorbereitungen und eine gehörige Portion Behutsamkeit brauchten. Aber danach war mir nicht.
Einmal murmelte sie: «Ich muss völlig durchgeknallt sein, da kann man nichts machen.» Einmal fluchte sie auf ihren Vater: «Er hätte sich nicht einmischen dürfen damals. Vielleicht hätte es doch geklappt mit uns beiden. Das Spießbürgertum hätte ich dir schon ausgetrieben.»
Vom Tisch auf den Teppich und weiter zum Bett, einmal quer durch das Zimmer. Maren keuchte, kämpfte, grub mir die Fingernägel in Hüften und Schultern, zog tiefe Rillen in meine Haut und presste mir mit den Beinen die Luft aus den Lungen. Mit hochrotem Gesicht hockte sie schließlich über mir, hielt mitten in der Bewegung inne und ließ sich nach vorne fallen. «Ich kann nicht mehr, Konni. Machen wir eine Pause.»
Mir dröhnte der Schädel. «Wenn du noch einmal in meiner Wohnung anrufst», sagte ich, «prügele ich dich windelweich.»
«Deine Wohnung?», konterte sie spöttisch. «Der Telefonanschluss läuft auf den Namen Hanne Neubauer. So hat sie sich auch gemeldet.»
Sie rollte sich auf die Seite, blieb mit dem Kopf auf meiner Brust liegen und zog mit einem Fingernagel einen Kreis über meine Rippen. Eine volle Minute verging. Der Nagel glitt an meinen Rippen entlang zur Seite. Ich zuckte leicht zusammen, als sie ihn fester in das weiche Fleisch an der Taille drückte.
«Wer hat dir ihren Namen genannt, Porky? Nein, er nicht. Er hat mich letzten Samstag noch gewarnt. Es war Peter.»
Sie richtete sich auf und schaute mir mit einem merkwürdigen Ausdruck ins Gesicht. «Nein», sagte sie knapp. Ihr Blick bekam etwas Abfälliges und Überlegenes. «Hanne Neubauer also», stellte sie fest. Etwas wie ein Grinsen huschte um ihre Lippen. «Das Kind hast du jedenfalls mit ihr.»
«Wenn du noch einmal bei ihr anrufst», setzte ich erneut an.
Sie winkte gelangweilt ab. «Du wiederholst dich, Konni. Dann prügelst du mich windelweich. Das Risiko gehe ich ein. Vielleicht mag ich das sogar. Dein Auftakt hat mir ja auch gefallen. Und
Weitere Kostenlose Bücher