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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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freitags Hochbetrieb. Da Malpensa auch internationale Langstreckenflüge abfertigt, kann der Andrang dort schlimme Ausmaße annehmen. So war es auch an diesem Freitag. Sich in der Haupthalle an den Schalter zu stellen, an dem die Fahrkarten für den Malpensa-Mailand-Bus verkauft wurden, war nicht annähernd so einfach, wie Chihani das dargestellt hatte. Es ist einer in einer kleinen Gruppe von Schaltern mitten in einer Halle, die ohnehin nicht sonderlich groß ausgefallen ist. Wenn ich dem Schalter zu nahe kam, versuchte der Beamte, völlig zu Recht, mir eine Fahrkarte für den Bus zu verkaufen, oder ich wurde von jemandem abgedrängt, der tatsächlich eine Fahrkarte kaufen wollte. Ließ ich mich an den Nachbarschalter weiterschieben, mußte ich mich eines Mannes erwehren, der mir ein Auto vermieten wollte. Und wenn ich etwas weiter von dem Schalter zurücktrat, wurde ich zu einem Hindernis, das ständig von gehetzten Reisenden mit glasigen Augen und kantigem Handgepäck auf dem Weg zu ihrem Flugsteig gerammt oder zur Seite geschubst wurde.
    Der Verfolger, der das Motorrad gefahren hatte, tauchte als erster in der Halle auf. Ich erkannte ihn an seinem Sturzhelm. Aber ich wußte, daß einer der Männer aus dem Auto inzwischen ebenfalls in die Halle gekommen sein mußte, denn das Visier des Sturzhelmes wandte sich immer wieder von mir ab und jemandem zu, den ich nicht sehen konnte und der drüben auf der anderen Seite der in Schlangen vor den Abfertigungsschaltern stehenden Passagiere sein mußte, irgendwo unter dem Schild, das den Weg zu den Ticketschaltern wies. Ich konnte unmöglich erkennen, was er dort machte, und konnte mir kaum die Zeit nehmen, zu überlegen, ob das überhaupt eine Rolle spielte. Gerade als ich zum zweitenmal einem kleinen Jungen auswich, der einen Kofferkuli im Kreis herumschob, entdeckte ich Chihanis stämmige junge Assistentin, die aus der Richtung der TWA-eigenen Abfertigungszone mit strammen Schritten auf mich zumarschiert kam.
    Sie trug ausgerechnet einen Cowboyhut aus Stroh mit aufgebogener Krempe, eine Drillichweste und ein rotes Baumwollhemd über Jeans. Eine handgearbeitete Ledertasche rundete das Gesamtbild ab. Sie sah aus wie ein übergewichtiges Schulkind, das sich für ein Theaterstück verkleidet hat. Als sie an mir vorbeiging und ich mich umdrehte, um ihr zu folgen, erteilte sie aus dem Mundwinkel, der mir am nächsten war, mit gedämpfter Stimme knappe Befehle.
    » Miernack«, sagte sie. »Schenell, schenell. Miernack. Los.«
    Einen Moment lang war ich völlig verwirrt und glaubte, sie beschimpfe mich. So klang es jedenfalls. Zum Glück ergänzte sie ihre Befehle durch Gesten, so daß ich sie begriff. »Miernack« hieß »mir nach«. Sie sagte mir, ich solle mitkommen und nicht lange rumtrödeln.
    Sie selbst ging inzwischen fast im Laufschritt. Ich warf einen Blick zurück und sah, wie sich der Sturzhelm in meine Richtung bewegte. Weit kam er nicht. Ein leerer Rollstuhl, vorwärts gestoßen von dem Armfesseljungen mit Alitalia-Mütze und Schulterklappen, erwischte ihn in den Kniekehlen und riß ihn von den Beinen. Mehr sah ich nicht mehr von ihm. Meine Begleiterin stieß immer noch ihr »Schenell, schenell« aus, klang nun aber noch dringlicher. Bei einem Blick nach unten sah ich, daß sie die ganze Zeit schon versucht hatte, mir eine Bordkarte in die Hand zu drücken. Ein Schild sagte uns auf englisch, daß wir uns den »International Departures Gates 1–10« näherten, und ein Hinweis bei der Paßkontrolle ermahnte uns, zusammen mit dem Reisepaß auch die Bordkarte vorzuzeigen. Ich sah gerade noch, daß die Bordkarte von einer britischen Fluggesellschaft war, ehe ich sie zusammen mit meinem Paß herzeigen mußte. Dann waren wir durch und sahen uns einer Sicherheitskontrolle gegenüber, wo streng darauf geachtet wurde, daß jeder Passagier nur ein Gepäckstück hatte.
    Ich hatte kein Gepäck, das sie hätten durchsuchen können, und so brauchte ich lediglich durch die Sicherheitsschleuse zu gehen. Meine Begleiterin stieß auf der anderen Seite wieder zu mir, nachdem sie ihre Tasche wieder an sich genommen hatte.
    »Und wohin jetzt?« fragte ich. »Nach London?«
    Sie starrte unruhig in die schmalen Gänge der Paßkontrolle, die jenseits des Sicherheitskontrollbereichs hinter uns immer noch zu sehen waren. Sekunden später sah ich den Jungen mit dem Rollstuhl dort auftauchen. Er gab uns mit der Hand ein unauffälliges Zeichen und ging dann auf eine zwischen einigen Toiletten

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