Mit dir an meiner Seite
steckst!«
Er saß auf seinem Bett und sah die Szene wieder vor sich: die Hand des fremden Mannes auf Kims Rücken. »Ich bin gerade erst angekommen.«
»Gab's irgendetwas Besonderes?«
Er hatte sich ein billiges Hotelzimmer genommen. Die Bettwäsche war an den Nähten etwas ausgefranst. Unter dem Fenster befand sich eine altmodische, klappernde Klimaanlage. Die Vorhänge bewegten sich leicht. Der Fernseher war oben völlig verstaubt.
»Nein«, antwortete er. »Nichts Besonderes.«
Jetzt, in seinem Krankenhauszimmer, erinnerte er sich an all das derart genau, dass er sich selbst wunderte. Vermutlich waren die Bilder so klar, weil er wusste, dass Kim gleich kam, zusammen mit Ronnie und Jonah.
Ronnie hatte vorhin angerufen, um ihm zu sagen, dass sie nicht nach New York zurückfuhr. Ach, das war alles nicht leicht. Er dachte daran, wie schrecklich abgemagert sein Vater am Schluss gewesen war, und eigentlich wollte er nicht, dass seine Tochter ihn so sah. Doch sie war fest entschlossen. Er konnte sie nicht umstimmen, das wusste er. Es machte ihm Angst.
Alles machte ihm Angst.
Seit ein paar Wochen betete er regelmäßig. So, wie Pastor Harris es ihm einmal beschrieben hatte. Er faltete nicht die Hände und senkte auch nicht den Kopf, er bat auch nicht darum, geheilt zu werden. Aber er teilte Gott seine Sorgen und Nöte mit. Vor allem, was seine Kinder betraf.
Sicher unterschied er sich nicht von anderen Eltern, die sich Gedanken um ihre Kinder machten. Ronnie und Jonah waren beide noch jung und hatten ihr Leben vor sich. Was würde aus ihnen werden? Steve erwartete nichts Außergewöhnliches - er wollte von Gott nur hören, ob er dachte, dass sie glücklich sein würden, ob sie in New York bleiben würden, heiraten und selbst Kinder bekommen würden. Das Elementarste im Leben, mehr nicht. Und durch diese Gebete begriff er, was Pastor Harris gemeint hatte, als er sagte, er gehe am Strand spazieren und rede mit Gott.
Doch im Gegensatz zu Pastor Harris hatte Steve in seinem Herzen Gottes Antwort noch nicht gespürt. Noch immer suchte er seine Gegenwart, und er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb.
Er schaute auf die Uhr. Kims Flugzeug ging in knapp drei Stunden. Sie wollte vom Krankenhaus direkt zum Flughafen fahren, zusammen mit Jonah. Dieser Gedanke machte ihn unendlich traurig.
Nicht mehr lange, und er würde seinen Sohn zum letzten Mal sehen. Heute musste er von ihm Abschied nehmen.
Jonah brach sofort in Tränen aus, als er hereinkam. Er rannte zum Bett und warf sich in Steves Arme. Seine schmalen Schultern bebten. Steves Herz wurde immer schwerer, während er versuchte, sich ganz darauf zu konzentrieren, wie es sich anfühlte, wenn er seinen Sohn an sich drückte, damit er sich dieses Gefühl für immer aufbewahren konnte.
Steve liebte seine Kinder mehr als alles auf der Welt. Und er wusste, wie dringend Jonah ihn brauchte. Ach - wieder einmal kam ihm die schmerzliche Erkenntnis, dass er als Vater versagt hatte.
Jonah schluchzte und schluchzte. Er war untröstlich. Steve drückte ihn an sich, als wolle er ihn nie wieder loslassen.
Kim und Ronnie standen in der Tür und hielten sich zurück.
»Sie wollen mich heimschicken, Daddy«, wimmerte Jonah. »Ich habe ihnen gesagt, dass ich bei dir bleiben will, aber sie hören mir überhaupt nicht richtig zu, die beiden. Ich bin auch ganz brav, Daddy - ich verspreche es dir -, ich bin ganz, ganz brav, ich gehe immer ins Bett, wenn du es sagst, und ich räume mein Zimmer auf, und ich esse auch keine Kekse, wenn ich nicht darf. Sag du ihnen doch, dass ich hierbleiben darf! Ich bin wirklich brav, versprochen!«
»Das weiß ich«, murmelte Steve. »Du bist doch immer lieb und brav.«
»Dann sag ihnen das doch bitte, Dad! Sag Mom, du willst, dass ich bleibe. Bitte, bitte!«
»Ich möchte, dass du bleibst«, sagte er traurig. »Ich möchte es sehr, sehr gern, aber deine Mom braucht dich auch. Du fehlst ihr.«
47 6
Spätestens jetzt wusste Jonah, dass ihm keine Hoffnung blieb, und er begann wieder zu weinen.
»Aber dann sehe ich dich nie wieder ... das ist nicht fair. Das ist nicht fair}«
Steve versuchte, ganz ruhig zu sprechen, obwohl ihm der Abschiedsschmerz fast die Kehle zuschnürte. »Hey, Jonah!«, sagte er. »Ich will, dass du mir jetzt ganz genau zuhörst, einverstanden? Kannst du mir den Gefallen tun?«
Mit großer Mühe schaffte es Jonah, seinen Vater anzusehen. Diesem versagte fast die Stimme, aber er wollte auf keinen Fall vor
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