Mit dir an meiner Seite
doch«, zischte er. Und nach einer kurzen Pause fügte er mit lauter Stimme hinzu, sodass die anderen ihn hören konnten: »Nein, ich bleibe lieber hier. Aber danke für den Vorschlag.«
Ronnie war zu schockiert, um etwas zu erwidern. Stattdessen lief sie einfach los. Sie wusste genau, dass Blaze ihr nachschaute, aber sie konnte nur noch einen Gedanken fassen: Nichts wie weg hier!
Zu Hause spielte ihr Vater noch Klavier. Als Ronnie hereinkam, wanderte sein Blick sofort zur Uhr. Nach dem unangenehmen Erlebnis mit Marcus war sie nicht in der Stimmung, mit ihm zu reden, also ging sie wortlos durch den Flur. Aber er musste irgendetwas bemerkt haben, denn er rief hinter ihr her: »Ist alles okay?«
Sie ging rasch zurück. »Ja, alles bestens.« »Ehrlich?«
»Ich möchte nicht darüber reden.«
Er musterte sie kurz, dann sagte er: »Okay.«
»Sonst noch was?«
»Es ist schon fast zwei.«
»Und?«
Er beugte sich über die Tasten. »Im Kühlschrank sind noch Nudeln - falls du Hunger hast.«
Ronnie musste gestehen, dass sein Verhalten sie wunderte. Keine Moralpredigt, keine Verhaltensmaßregeln. Ziemlich genau das Gegenteil von Moms Methoden. Kopfschüttelnd ging sie in ihr Zimmer. Gab es in dieser Stadt überhaupt irgendjemanden, der sich normal benahm?
Sie vergaß, das Fenster mit einem Laken zu verhängen, und die Sonne strahlte ins Zimmer, nachdem sie weniger als sechs Stunden geschlafen hatte.
Knurrend drehte sie sich auf die andere Seite und legte sich das Kissen auf den Kopf. Dann fiel ihr ein, was am Tag zuvor am Strand passiert war. Sie setzte sich auf. An Schlaf war nicht mehr zu denken.
Marcus war ihr echt unheimlich.
Ihr erster Gedanke war: Sie hätte etwas erwidern sollen, als er am Schluss diese bescheuerte Bemerkung gemacht hatte. Zum Beispiel hätte sie sagen können: Was redest du da für einen Quatsch? Oder: Wenn du denkst, ich würde allein mit dir irgendwo hingehen, dann hast du dich aber gewaltig geschnitten! Aber sie hatte gar nichts gesagt. Und wahrscheinlich war es das Blödeste gewesen, was sie tun konnte, einfach wortlos wegzugehen.
Sie musste dringend mit Blaze reden.
Mit einem Seufzer stand sie auf und tappte ins Bad. Sie duschte rasch, zog einen Badeanzug unter ihre Klamotten, stopfte Handtuch und Sonnencreme in eine Strandtasche. Als sie fertig war, hörte sie ihren Vater am Klavier. Schon wieder! Selbst zu Hause in Manhattan hatte er nicht so viel geübt. Sie horchte und merkte, dass er eines der Stücke spielte, mit denen sie in der Carnegie Hall aufgetreten war. Es war die Sonate, die Mom im Auto auf CD gehört hatte.
Sie musste Blaze finden und ihr erklären, was sich tatsächlich abgespielt hatte. Aber wie sollte sie das machen, ohne Marcus als Lügner hinzustellen? Gar nicht so einfach. Blaze wollte bestimmt lieber Marcus glauben, und wer wusste, was er ihr ins Ohr geflüstert hatte, nachdem Ronnie gegangen war? Aber das konnte sie nur spontan entscheiden. Hoffentlich waren sie beide entspannt, wenn sie in der Sonne lagen, dann ergab sich alles von allein.
Als Ronnie den Flur entlangging, war das Stück gerade zu Ende, aber ihr Dad spielte weiter - noch eine Sonate aus ihrem Carnegie-Hall-Programm.
Sie blieb stehen, schob ihre Strandtasche die Schulter hoch. Das war doch wieder typisch! Er hatte sie im Bad gehört und wusste, dass sie nicht mehr schlief. Also wollte er irgendetwas anbieten, das sie beide betraf. Eine Gemeinsamkeit.
Tja, tut mir leid, Dad, aber nicht heute. Sie hatte andere Pläne. Und außerdem war sie sowieso nicht in der Stimmung.
Sie wollte sich gerade auf den Weg zur Haustür machen, als Jonah aus der Küche kam.
»Habe ich dir nicht gesagt, du sollst etwas holen, was gut für dich ist?«, hörte Ronnie ihren Vater fragen.
»Aber das ist doch gut für mich. Es ist eine Pop-Tart.«
»Ich dachte eher an so etwas wie Müsliflocken.«
»Aber hier ist Zucker drin.« Jonah machte ein todernstes Gesicht. »Und ich brauche sehr viel Energie, Dad.«
Ronnie durchquerte mit schnellen Schritten das Wohnzimmer, in der Hoffnung, dass sie zur Tür hinaus war, ehe ihr Vater sie ansprechen konnte.
Jonah lächelte. »Oh, hallo, Ronnie!«
»Hallo, Jonah. Tschüs, Jonah.« Sie hatte schon den Türknauf in der Hand.
»Ronnie?« Das war ihr Vater. Er hörte sogar auf zu spielen. »Können wir kurz über gestern Abend reden?«
»Ich habe jetzt echt keine Zeit«, entgegnete sie und schob wieder ihre Tasche nach oben.
»Ich wollte nur wissen, wo du den ganzen
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