Mit dir an meiner Seite
Karenina letztes Schuljahr gelesen.«
»Deine Eltern sind bestimmt sehr stolz auf dich, dass du schon lesen kannst.«
»Sie sind wirklich stolz auf mich. Sie haben mir ein Pony gekauft, weil ich ein Referat über Ein Kater macht Theater gehalten habe.«
»War das vor oder nach Tolstoi?«
»Aha - du hörst mir also tatsächlich zu. Ich wollte mich nur vergewissern.« Er breitete die Arme aus und schaute zum Himmel. »Was für ein wunderschöner Abend! Ich liebe diese Nächte am Meer. Das Wellenrauschen in der Dunkelheit wirkt echt entspannend, findest du nicht auch?«
Ronnie klappte ihr Buch zu. »Was soll das alles?«
»Ich mag Menschen, die Schildkröten mögen.«
»Dann hau am besten ab zu deinen Freunden vom Aquarium. Obwohl - das passt ja nicht. Weil sie dabei sind, andere Schildkröten zu retten, und deine Freundinnen lackieren sich gerade alle die Fingernägel und drehen sich Locken in die Haare, stimmt's?«
»Kann sein. Aber ich dachte, du hättest vielleicht gern ein bisschen Gesellschaft.«
»Ich komme wunderbar ohne dich zurecht«, zischte sie ihn an. »Du kannst verschwinden.«
»Es ist ein öffentlicher Strand, und mir gefällt es hier.« »Soll das heißen, du bleibst?« »Ich glaube, ja.«
»Hast du dann etwas dagegen, wenn ich ins Haus gehe?«
Er setzte sich aufrecht hin und fasste sich nachdenklich ans Kinn. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Kannst du dich darauf verlassen, dass ich die ganze Nacht hierbleibe? Und wenn dieser aufdringliche Waschbär wieder auftaucht ...«
»Hör zu - was willst du eigentlich von mir?«
»Also, zuerst wüsste ich gern deinen Namen.«
Sie nahm ein Handtuch und legte es sich über die Beine. »Ronnie«, sagte sie. »Das ist eine Abkürzung von Veronica.«
Er lehnte sich zurück und stützte sich auf die Ellbogen. »Sehr schön, Ronnie. Erzähl mir doch mal was aus deinem Leben.«
»Wieso interessiert dich das?«
»Ach, komm, sei nicht so. Ich gebe mir echt Mühe!«
Er konnte nicht recht einschätzen, wie sie es fand, aber sie fasste die Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen und schien allmählich zu akzeptieren, dass sie ihn nicht so leicht loswurde.
»Gut, von mir aus. Das ist die Geschichte meines Lebens: Ich wohne in New York, mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder, aber sie hat uns hierhergeschickt. Wir sollen die Sommerferien bei unserem Vater verbringen. Und jetzt sitze ich hier fest und muss auf Schildkröteneier aufpassen, während ein Volleyballspieler-Autoschrauber-Aquariumarbeiter versucht, mich anzumachen.«
»Ich versuche nicht, dich anzumachen!«, protestierte er. »Nein?«
»Glaub mir - das würdest du merken. Du würdest dich sofort meiner Charmeoffensive ergeben.«
Zum ersten Mal hörte er sie lachen. Das deutete er als ein gutes Zeichen und fuhr fort:
»Eigentlich bin ich hergekommen, weil ich es blöd fand, dass es mit dem Drahtkorb nicht schnell genug geklappt hat, und ich wollte nicht, dass du im Dunkeln allein hier sitzt. Wie gesagt - es ist ein öffentlicher Strand, und man weiß nie, was für Leute sich hier herumtreiben.«
»Leute wie du?«
»Wegen mir brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Aber es gibt überall schlechte Menschen. Auch hier.«
»Und - darf ich raten? Du willst mich beschützen.«
»Wenn nötig - ohne eine Sekunde zu zögern.«
Sie sagte nichts, aber Will hatte das Gefühl, dass er sie positiv überrascht hatte.
Die Flut stieg, und gemeinsam schauten sie zu, wie die Wellen silbern aufleuchteten, wenn sie sich überschlugen und an den Strand schwappten. Am Fenster bewegten sich die Vorhänge, als würde jemand sie beobachten.
»Das war's«, sagte Ronnie schließlich, nachdem sie beide eine Weile lang geschwiegen hatten. »Jetzt bist du dran. Wie geht deine Geschichte?«
»Ich bin ein Volleyballspieler-Autoschrauber-Aquariumarbeiter.«
Wieder lachte sie. Will fand ihr Lachen sehr sympathisch, unverkrampft und lebendig.
»Bist du damit einverstanden, dass ich noch ein bisschen hierbleibe?«
»Es ist ein öffentlicher Strand.«
Er zeigte zum Haus. »Meinst du vielleicht, du solltest deinem Vater sagen, dass ich hier bin?«
»Ich wette, er weiß es längst. Gestern Abend hat er alle zwei Minuten nach mir geschaut.«
»Hört sich an, als sei er ein guter Vater.«
Ronnie überlegte kurz, dann zuckte sie die Achseln. »Du spielst sehr gern Volleyball, was?«
»Dadurch bleibe ich in Form.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Ja, Volleyball macht mir Spaß. Ich
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