Mit einem Bein im Modelbusiness
meiner Küche und schaute aus dem Fenster rüber zur Aral -Tankstelle, die immer noch weihnachtlich blinkte. Es war bereits Mitte Februar, und die Tankstellenmitarbeiter hatten die bunte Deko noch immer nicht abgenommen. Der wenige Schnee, der vom Hamburger Abendhimmel fiel, wusste nicht so recht, wo er liegen bleiben sollte, und verwandelte sich auf der Stelle in schmutzigen Matsch, der von den Autos lieblos durch die Gegend gespritzt wurde. Genauso fühlte ich mich. Auch ich würde vom Mailänder Himmel fallen und unter den vielen Topmodels einfach so verschwinden.
Die Kaffeemaschine, die mir meine Mutter vor drei Jahren zum Wohnungseinzug geschenkt hatte, ächzte und verströmte ihr gewohntes Aroma. Ich gab ihr einen Klaps auf den Deckel, holte meinen Laptop und checkte meinen Kontostand: 2350,56 Euro. Und für Februar hatten wir noch keine Miete gezahlt.
» Fahr nach Mailand«, hörte ich Lea neben mir sagen, » und mach dir nicht immer so viele Gedanken.«
Ich drehte mich zu ihr und lächelte.
» Hast du etwa mit Peter gesprochen?«, fragte ich überrascht.
» Nein, wieso? Sollte ich?«, sagte sie zögerlich.
» Nein, nein. Es ist nur so, Peter möchte, dass ich von April bis Juni nach Mailand gehe.«
» Ach, Schatz«, sagte sie und setzte sich auf meinen Schoß. » Glaubst du echt, dass ich nicht mitkriege, wie du diese Sache seit Wochen mit dir herumträgst? Fahr nach Mailand!«
» Willst mich wohl loswerden, hmm?«, lachte ich erleichtert und zog Lea ganz dicht an mich.
» Ich will nur nicht, dass du wegen mir in Hamburg bleibst. Das wäre doch wirklich dumm von dir. Und zwei Monate gehen auch schnell vorbei. Das verkrafte ich schon. Ich bin ein großes Mädchen.«
» Meinst du echt?«
» Na klar. Ich muss eh total viel für die Uni lernen. Ich werde gar nicht merken, dass du weg bist. Außerdem gibt’s ja noch Skype. Und Telefonsex ist gar nicht so schlecht.«
Lea grinste schelmisch. Ich gab ihr einen langen Kuss auf den Mund. Wie cool sie damit umging! Ich war sprachlos.
Also schön, sagte ich mir. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Boah, war ich aufgeregt. Natürlich hatte ich vorher schon mal eine längere Zeit im Ausland verbracht, aber noch nie mit so einem wichtigen Auftrag im Gepäck. Meine Mission lautete: Kontakte knüpfen, Klinken putzen, mich anbieten – und ich war fest entschlossen, alles zu tun, um ja keine Mailänder Schneeflocke zu sein.
Zuerst musste ich in die Stadt und mein Apartment finden. Der Flughafen-Shuttle brachte mich von Malpensa zum Hauptbahnhof. Von dort waren es noch drei oder vier Stationen mit dem Bus, so genau wusste ich es nicht, doch es war dunkel und schon kurz nach Mitternacht, komische Typen huschten durch die Gassen, und ich hatte keinen Bock, schon am ersten Tag überfallen zu werden.
» Taxi, do you need a taxi? I am your driver! Best driver in town!«, grinste mich eine seltsame Gestalt von der Seite an, die anscheinend Gedanken lesen konnte.
Ich achtete nicht weiter auf ihn, schmiss meinen Kram in seinen Kofferraum und pflanzte mich auf die Rückbank. Als er losfuhr, fiel mir auf, dass ich in einem ganz normalen Auto saß.
» Where is your meter?«, rief ich nach vorne. Es war nämlich nirgends eine Taxiuhr zu sehen. Keine Reaktion. Auf einmal verstand der Fahrer auch kein Englisch mehr.
» Helloho?«
Der Fahrer beobachtete mich durch den Rückspiegel, ignorierte mich aber weiter. Wenn das so ist, dachte ich mir, dann kann ich ja auch auf Deutsch mit ihm plaudern.
» Okay, Maestro, jetzt pass mal auf, ich bezahl dir exactamente 10 Euro für die Fahrt. Mir egal, dass du mich abziehen willst.«
Das ging ja gut los. Peter hatte mir vor der Abfahrt noch gesagt, dass ich auf keinen Fall mehr als 10 Euro bis zum Apartment bezahlen sollte. Eigentlich kostete die Kurzstrecke für Einheimische 5,50 Euro, aber der kleine Ausländerzuschlag sei üblich und völlig in Ordnung.
Nachdem mein Möchtegern-Robert De Niro sich noch etliche Male verfahren hatte, kamen wir endlich an. Und siehe da, eine spontane Wunderheilung trat ein, und er fand zur englischen Sprache zurück.
» Because I like Germany, I make a special prize. For you, 20 Euro, my friend.«
Ich stieg kommentarlos aus, holte im Gehen einen 10-Euro-Schein aus meinem Geldbeutel und machte den Kofferraum auf. Der Taxifahrer kam aufgeregt hinterher.
» Stop! Stop! Money! Money!«
» Ich wohne hier, alles klar. I am no tourist. NO TOURIST !!! Here are 10 Euro. It’s more than enough. Ich kenne die
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