Mit einem Fuß im Himmel
beschäftigt, daß er Liselotte und Hein Grotius erst bemerkte, als sie dicht vor seinem Tisch standen. Hein Grotius brachte Liselotte zu ihrem Stuhl, dann zog er sich mit lächelnder Sicherheit zurück, nicht ohne auch Oskar Hähnlein darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß er jetzt gleich wieder auftreten würde. Oskar Hähnlein knurrte eine unverständliche Antwort, dann wandte er sich aufatmend Liselotte zu.
»Endlich...!« Er füllte Liselottes Glas, und sie trank in langen, durstigen Zügen.
»Bitte, Herr Hähnlein«, entschuldigte sie sich nett, »bitte, seien Sie mir nicht böse, daß ich so lange getanzt habe! Natürlich wäre ich viel lieber bei Ihnen geblieben...«
»Das soll ich Ihnen glauben?«
»Ja«, erwiderte Liselotte und sah ihn voll an.
»Dann möchte ich nur wissen, warum Sie sich überhaupt mit diesem Lackel eingelassen haben!«
»Das müssen Sie verstehen«, antwortete Liselotte rasch, »es wäre doch kompromittierend für Sie gewesen, Herr Hähnlein, wenn ich abgelehnt hätte!«
»Das kann ich gar nicht finden. Wieso denn?« forschte Oskar Hähnlein und versuchte mit seinem einigermaßen eingenebelten Gehirn, die Angelegenheit zu klären.
»Es hätte nach einem Einverständnis zwischen uns ausgesehen, begreifen Sie doch!«
Oskar Hähnlein begriff gar nichts, aber er fühlte sich sehr unglücklich. »Kläuschen, warum quälen Sie mich so!?«
»Ich quäle Sie doch gar nicht! Ich möchte es nur vermeiden, daß Sie in eine peinliche Lage geraten!«
»Ach so!« bekundete Oskar Hähnlein, ohne auch nur das geringste zu verstehen. »Sie sind ein Engel, Kläuschen!« fügte er auf alle Fälle hinzu.
»Ich meine es gut mit Ihnen, Herr Hähnlein, das müssen Sie mir glauben!«
»Das weiß ich ja, Kläuschen, mein Mäuschen!« erklärte Oskar Hähnlein schwermütig, und endlich sah er eine Gelegenheit, seinen schönen Satz anzubringen: »Sie wissen es doch genau, Sie sind der Traum meiner Frauen!«
»Der... was?« Liselotte sah ihn völlig verblüfft an.
»Der Traum meiner... nein, das meine ich ja gar nicht. Ich wollte sagen...«, stotterte Oskar Hähnlein, der sich hoffnungslos in seinem eigenen Satz verheddert hatte. »Ich... ich bin schon ganz verwirrt! Sie verwirren mich, Kläuschen!«
»Das wollte ich nicht, Herr Hähnlein, wirklich nicht! Ich dachte nur...« Mitten im Satz stockte Liselotte, das Blut stieg ihr zu Kopf, sie biß sich auf die Unterlippe.
»Kläuschen...?! Was haben Sie denn!?« forschte Oskar Hähnlein beunruhigt.
»Ach nichts, Herr Hähnlein, gar nichts!« behauptete Liselotte, die sich schon wieder gefangen hatte. Sie lächelte Oskar Hähnlein an, mit einem etwas wehmütigen, gezwungenen Lächeln. »Reden Sie doch weiter! Ich höre Ihnen ja zu!«
Tatsächlich hatte Liselotte in jenem Augenblick, da sie so plötzlich ihren Satz unterbrochen hatte, festgestellt, daß auch Till Torsten im Tabaris war. Sie wußte zwar immer noch nicht seinen Namen, aber sein Äußeres hatte sich ihr so fest eingeprägt, daß eine Verwechslung ganz und gar ausgeschlossen war. Ja, da saß er, der Held ihrer Träume, neben einer jungen Dame, die seine Aufmerksamkeit völlig zu beanspruchen schien. Er war kein Don Juan, dessen war Liselotte sicher, und somit konnte sie auch gewiß sein, daß diese Dame seine Braut war, eben jenes Fräulein Gabriele Görner, der er seine Blumengrüße zu schicken pflegte. Nicht der Anblick Till Torstens selber, sondern der Anblick seiner Braut war es, der Liselotte so außer Fassung gebracht hatte. Nein, das war kein berechnender Vamp, keine aufgetakelte alte Ziege, wie Liselotte angenommen und im tiefsten Inneren gehofft hatte, diese Gabriele Görner war ein bezauberndes, liebenswertes, junges Ding, darüber konnte sie sich nicht hinwegtäuschen, reizend und nett und — das war das Schlimmste! — mindestens zehn Jahre jünger als sie selber. Mit einer solchen Rivalin konnte sie es keinesfalls aufnehmen, das wurde Liselotte sofort klar; kein Wunder, daß er, der Angebetete, kein Auge für andere Frauen hatte.
In dieser Sekunde brach ein schöner, ein wunderbarer Traum in Liselotte zusammen, aber tapfer lächelte sie Oskar Hähnlein zu, wenn auch ihr Herz schmerzhaft zuckte.
VII
Therese, Oskar Hähnleins traute Gattin, saß indessen an einem Fenster ihrer komfortabel eingerichteten Vierzimmerwohnung und starrte in die Nacht hinaus. Sie wartete auf Oskar.
Sie hatte das Kleid schon mit einem hellblauen Spitzennachthemd und ihrem geblümten Morgenrock
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