Mit falschem Stolz
geholfen. Er ahnte vielleicht, dass sie mit der Eselin etwas Ähnliches tat wie mit ihm.
Das Zittern hatte aufgehört, Jennet stand ganz still. Frieder legte Alyss die Apfelviertel wieder in die Hand, und sie reichte sie dem Tier. Es griff mit den Zähnen zu, doch es biss sie nicht.
»Schon besser, nicht?«
»Ich wusste, dass du sie beruhigen würdest«, sagte Marian, der nun auch hinzugekommen war.
»Sie birgt eine Geschichte. Einen Teil davon wird mir wohl John erzählen.«
»Robert eher, denn er erhandelte sie. Wir warten auf ihn.«
»Dann wollen wir so lange versuchen, die bösen Schrunden auf ihrem Rücken zu behandeln. Hol die Heilsalbe, Bruder, und walte deines Amtes.«
Es war nicht ganz einfach, Jennet weiterhin ruhig zu halten, und als Marian das Fell gesäubert und die Wunden versorgt hatte, fühlte Alyss sich erschöpft und ausgelaugt. Es war unsagbar viel Widerstand in diesem noch jungen Tier. Aber letztlich konnte sie es in den Stall führen, und Jennet ließ den Kopf über der Futterkrippe hängen.
Das Hauswesen hielt weiterhin vorsichtig Abstand, und als Alyss sich am Brunnen das kalte Wasser ins Gesicht spritzte, kam schließlich auch Robert vorbei.
»Verzeiht, Alyss, ich habe Euch mit einem recht trotzigen Geschöpf alleine gelassen«, sagte er. »Doch ich musste dringend noch einige Amtshandlungen in die Wege leiten. Können wir uns in Euer Kontor zurückziehen?«
»Natürlich. Marian?«
»Ich komme gleich dazu«, rief er aus dem Stall.
Alyss trocknete sich Gesicht und Hände an der Schürze ab und löste dann deren Bänder. Während sie ins Haus ging, lockerte sie auch ihr Gebände und zog das Leinen vom Kopf.
»Dann kommt, und berichtet mir den anderen Teil der Geschichte, der mit Jennet zusammenhängt.«
»Jennet? Oh, ja, natürlich. Welchen Teil hat sie Euch schon berichtet?«
»Den schlimmeren, nehme ich an. Man hat sie böse misshandelt.«
»Ja, und da ich Euer mitleidiges Herz kenne, habe ich sie gegen eine andere Eselin eingetauscht«, sagte Robert leise, als sie die Kammer betraten, in der Alyss ihre Geschäftsbücher und Dokumente aufbewahrte. Er sah sich um.
»Ihr habt es verändert – es sieht weniger staubig aus als zu der Zeit, da ich dieses Kontor benutzte.«
»Ich handle mit süffigem Wein, nicht mit staubigen Tuchen.«
»Wohl wahr.« Er nahm am Fenster Platz, und sie setzte sich auf den Hocker hinter dem Schreibpult. Marian trat ein und wies sogleich auf die beiden Dokumente.
»Das dort verlangt ebenso eine Erklärung wie das Eselchen, Robert. Wir lauschen gebannt.«
Alyss rollte das erste auf und blinzelte.
»Der Ritter von Merheim …?«
»Ein reizender Kerl, Alyss, und so ungemein gefällig. Nicht dass er je irgendwelche wie auch immer gearteten Gelüste verspürt hat, einen Weingarten zu besitzen, aber er war bereit, sich an einem kleinen Gaukelspiel zu beteiligen und Namen und Siegel dafür herzugeben.«
»Wer also hat den Weingarten gekauft, Robert?«
»Habt Ihr je Einsicht in die Schreinsakten genommen?«
Alyss und Marian sahen sich verdutzt an.
»Ähm – nein. Oh, wir hätten vermutlich darin nicht seinen Namen gefunden. Doch welchen würden wir nun darin lesen?«
»Den meines jüngst verstorbenen Bruders. Womit, Alyss, Ihr nun die Erbin und rechtmäßige Besitzerin dieses Stückchen Landes seid.«
Ein Gefühl warmer Freude durchflutete Alyss. Sie hing so sehr an diesem Grundstück, das sie mit eigenen Händen wieder fruchtbar gemacht hatte. Dann aber erkannte sie die Verpflichtung, die Robert eingegangen sein musste.
»Ihr habt über den edlen Merheimer Arndt das Geld dafür gegeben, damit er mir meine Mitgift zurückzahlen konnte.«
»So könnte man es ausdrücken. Alyss, macht Euch keine Gedanken darüber. Ich kann es mir leisten, und ich habe schon oft zuvor die Schulden meines leichtsinnigen Bruders beglichen. Glaubt mir, meine Wut war grenzenlos, als ich hörte, wie er das Land zum Verkauf anbot.«
»Ihr wart damals noch in Köln?«
»Ja, als Johns überaus fauler Handelsknecht, der sich weniger um die Geschäfte kümmerte, als viel mehr mit der Beobachtung dieses Hauswesens beschäftigte. John und ich waren auf der Suche nach Beweisen, denn wir vermuteten damals schon, dass Arndt hinter dem Anschlag auf mich steckte.«
»Manchmal habe ich gespürt, dass er etwas verheimlichte«, sann Alyss leise. »John kann sehr wortkarg hinter seiner blumigen Rede sein.«
»Er ist dennoch ein durch und durch ehrlicher Mann. Nur weiß er die
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