Mit Familienanschluß
vor allem Hermann Wolters die Gloriole eines mustergültigen Ehemannes, der seiner Frau sogar die Mühe des Koffervollstopfens abnahm.
Dorothea, von Wäsche und Einkaufen derangiert, ging zum Friseur, ebenso wie Gabi und Eva Aurich. Man weiß ja nie, wie die Friseure im Ausland sind. Dorothea hatte an der Nordsee schon ein schreckliches Erlebnis gehabt. Sie hatte eine leichte Kupfertönung für ihr schönes Haar haben wollen und kam zurück mit einer karottenroten Farbe wie ein Punker. Das wenigstens behauptete Wolters, während Gabi Mamis rote Haare einfach klasse fand.
Tatsächlich sah Dorothea um zehn Jahre jünger aus – aber da sie Hermann so nicht gefallen hatte, wollte sie diesmal auf Nummer Sicher gehen und sich nicht den italienischen Stylisten überlassen. Abzusehen war allerdings, daß eine diskrete Kupfertönung nicht fünf Wochen lang halten würde. Dorothea würde also doch in Diano Marina zum Friseur gehen müssen. Aber für diesen Fall wollte sie sich von ihrem Bamberger Salon die Tönung mitgeben lassen.
Dann kaufte man noch Badeschuhe, Söckchen, Federballschläger, eine Luftmatratze und diskutierte heftig darüber, ob man auch ein aufblasbares Gummiboot für zwei Personen erstehen sollte. Wolters hielt das für eine sinnlose Ausgabe. Er rechnete vor, daß am Strand die Leihgebühr für ein Kunststoffboot so bemessen war, daß man für den Kaufpreis des Gummibootes vierzehnmal aufs Meer hinausfahren konnte – und natürlich wesentlich komfortabler. Auch darüber hatte man bei Kollegen Dr. Simpfert Informationen eingeholt.
Hermann Wolters überließ eben nichts dem Zufall.
Zum allgemeinen Erstaunen stellte es sich heraus, daß Eva Aurich über Erfahrungen in südlichen Regionen verfügte. Sie war vor zwei Jahren auf Capri gewesen, auch ein Ferienjob, bei dem sie einen gelähmten reichen Mann betreut hatte. Es war ein leichter Job gewesen, denn Herr Millerjahn, ein Fabrikant, hatte meist in seinem Rollstuhl im Park der Kur-Villa gesessen, neben sich auf einem Tischchen ein Telefon, mit dem er mit der ganzen Welt telefonierte. Eva hatte tun und lassen können, was sie wollte. Nur zu den Mahlzeiten hatte sie erscheinen müssen, um Konversation zu treiben und Herrn Millerjahn zu berichten, was sie bisher auf der Insel erlebt hatte. Die Aufgabe bei den Wolters' würde um vieles schwerer werden.
»Das wichtigste und teuerste im Süden sind die Sonnencremes«, sagte Eva. »Davon sollten wir genügend mitnehmen.«
Dorothea handelte sofort. Im Großhandel (einen Einkaufsschein bekam sie vom Gymnasium, weil man dort für den Kunstunterricht einkaufen durfte, wozu erstaunlicherweise auch Dosenwurst und Waschmittel gehörten), erstand sie eine Großpackung Sonnenmilch, Schutzfaktor 5, After Sun Lotion und andere Cremes zur Vermeidung von Sonnenbrand, Austrocknung der Haut und Hitze-Allergien.
Das alles berührte Ingeborg gar nicht. Nachdem sie von Eva die Zusicherung erhalten hatte, nach Diano Marina mitfahren zu können, wartete sie. Vor allem wartete sie darauf, daß Walter sich bei ihr blicken ließ. Aber er kam nicht.
»Wenn Ibo mitfahren darf, wird mein Auto streiken!« drohte Walter zu Hause. »Und wenn ich den Motor ansäge. Ich bin doch kein Selbstverstümmler! Ibo mit uns an die Riviera – das ist das letzte. Ihr könnt alle dämlich reden, ihr kennt sie ja nicht.«
»Aber du«, erwiderte Wolters anzüglich. »Wenn mein Sohn sich bei ihr ausruht, muß sie ja Qualitäten haben.«
»Ausruht! Daß ich nicht lache«, sagte Gabi.
Wolters sah seine Tochter strafend an. »Solche Bemerkungen schätze ich nicht. Man kann prekäre Dinge auch anders formulieren.«
»Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun!« rief Walter. »Mein Gott, was seid ihr altmodisch! Ingeborg ist für meine Begriffe eine Pfundsgenossin …«
»Lasset die roten Fahnen wehen …«
»Mit euch kann man nicht diskutieren«, sagte Walter angeekelt. »Jedenfalls – wenn Ibo mitfährt, müßt ihr auf mich verzichten!«
»Wir brauchen aber deinen Wagen, Walter!«
»Kein Problem!« Eva Aurich winkte ab. »Ich kann auch Auto fahren. Ich habe seit vier Jahren meinen Führerschein.«
Walter kapitulierte. Er verließ die Familienrunde, setzte sich in seinen Citroën und ratterte davon. In der Nacht kam er nicht nach Hause. Verdammt, es mußte doch bewiesen werden, daß er ein Mann war!
Auf Wolken schwebte dagegen Manfred. Er wurde nämlich in der letzten Woche vor den Ferien von Eva von der Schule abgeholt. Das war eine
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