Mit Familienanschluß
Idee von ihr gewesen, die Manfred zuerst nicht nur doof, sondern in höchstem Maße als Schädigung seines Ansehens empfand.
Abgeholt werden Kinder, das steht nun mal fest. Kinder, die in den Kindergarten gehen, aber kein Sextaner! So wurde Manfred denn auch erst blaß und dann rot vor Scham, als Eva Aurich vor der Schule stand und auf ihn wartete. Sie war mit ihrem Roller gekommen, trug eine enge Lederhose, einen grobgestrickten Pullover und hatte die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.
Manfred versteckte sich zunächst hinter dem Fahrradschuppen. Aber dann sah er voller Verblüffung, daß Evas Erscheinen das Gymnasium in Verwirrung versetzte. Die jungen Herren der Oberklassen gaben ihre lässige Haltung auf und bestaunten das Mädchen auf dem Roller. Sie rotteten sich in einiger Entfernung zu kleinen Grüppchen zusammen, taten so, als seien sie in weltbewegende Gespräche vertieft, und warteten doch nur darauf, zu wem diese Ausnahmeerscheinung von Mädchen gehörte. Denn daß sie zufällig vor dem Eingang des Gymnasiums parkte, war unwahrscheinlich.
Sogar die jüngeren Studienräte und Assessoren warfen ein Auge auf Evas lange, lederbehoste Beine, ein Assessor grüßte sogar, als kenne er sie – ein uralter, dämlicher Trick, wie die Herren Primaner sofort feststellten. Jedenfalls, es gab niemanden, der Eva beim Verlassen der Schule nicht angestarrt hätte. Kein Wunder, es handelte sich ja um ein Jungengymnasium.
Schließlich entschied sich Manfred dafür, sein Versteck zu verlassen. Langsam, noch immer mit ziemlich schwerem Herzen ging er auf Eva zu. Vor ihr blieb er stehen, aber bevor er etwas sagen konnte, beugte sie sich zu ihm hinunter, gab ihm einen Kuß und sagte: »Los, steig hinten auf. Warum kommst du denn so spät?«
Manfred schwang sich auf den Sitz, klammerte sich an Evas Taille fest, und als er die erstaunten Gesichter der ›Doofen‹ aus der Oberklasse sah, ahnte er, daß sein Ansehen im Gymnasium eine unerhörte Aufwertung erfahren hatte.
Am nächsten Tag erhielt er den Beweis.
Sechs Primaner nahmen ihn nacheinander zur Seite und wollten ihn bestechen. »Wie heißt sie? Wie alt ist sie? Wo wohnt sie? Ist sie mit dir verwandt? Kannst du nicht als Vermittler …«
Von Schokolade bis zur Modelleisenbahn, von Rock-Schallplatten bis zum gebrauchten Fahrrad wurde alles zum Tausch angeboten. Selbst Manfreds Klassenkameraden zeigten sich beeindruckt. »Mensch! Hinten aufm Motorroller! Das möchte ich auch mal. Immer nur die dämlichen Autos! Kannste nicht, Manni … Nur mal rund um'n Block …« Es war klar, daß für Manfred die Anerkennung seiner Sexta mehr wert war als alle grandiosen Bestechungsversuche der Oberkläßler.
War man sich bisher über Manfreds berufliche Zukunft noch im unklaren gewesen, so zeigte er jetzt Ansätze für eine ganz bestimmte Eignung: Er konnte Politiker werden! Er versprach vielen eine Menge, ließ aber offen, ob er es erfüllen konnte. Immerhin wurde ihm geglaubt – wie den Politikern! So fängt schon im Frühstadium die Gutgläubigkeit der Masse an …
Am dritten Tag war Hermann Wolters der Mittelpunkt des Lehrerkollegiums. Eva Aurich war in knappen, kurzen Shorts gekommen. Es war heiß, ein schöner Sommertag, und wenn man so frei auf einem Motorroller sitzt und jung und lufthungrig ist, bietet man schon einen Herzklopfen erregenden Anblick. Evas Bluse war dünn und bei Gegenlicht fast transparent.
Kollege Dr. Simpfert stieß Wolters verstohlen in die Rippen. Man stand am Fenster des Konferenzzimmers und blickte hinunter auf Eva. Außerdem beobachtete man mit Mißfallen das Balzgehabe der Primaner, das schon an Belästigung grenzte.
»Mit der wollen Sie an die Riviera?« fragte Simpfert leise.
»Ja«, antwortete Wolters kurz.
»Und da nehmen Sie Ihre Frau mit?«
»Fräulein Eva soll Manfred betreuen, sonst nichts!«
»So trocken kann nur ein Studienrat für Geschichte reden!« flüsterte Simpfert. »Wir Lehrer für Französisch sind da beweglicher … Wie alt ist sie?«
»Das können Sie sie selbst fragen.«
»Wolters, Sie sind ein Stockfisch!«
Der nächste, der sich an Wolters wandte, war der Assessor Liebeneu. Er litt in der Schule sehr unter seinem Namen. Wenn man Liebeneu heißt, wird man kein Lehrer! Das ist ein Name für Psychiater. Aber davon abgesehen war Assessor Liebeneu ein eleganter Mann, der außerhalb der Schule das hielt, was sein Name versprach, und so blieb es nicht aus, daß Evas Anblick ihn gewaltig in Schwung brachte.
»Lieber
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