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Mit Familienanschluß

Mit Familienanschluß

Titel: Mit Familienanschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Stelle laufen, das waren Übungen, die er für sich tolerieren konnte. Außerdem würde ihn der Anblick von Eva erfreuen – und vielleicht sogar der von Dorothea, falls sie sich dem morgendlichen Fitnessprogramm anschließen sollte.
    »Was siehst du denn da draußen?« fragte Dorothea verschlafen aus dem Bett.
    Wolters hütete sich, seine Gedanken laut auszusprechen. »Das Panorama von gestern«, sagte er statt dessen ausweichend und reichlich phantasielos.
    »Wo stecken bloß diese verdammten Hähne?«
    »Auf dem Zaun zum Weingarten.«
    »Kann man sie nicht wegjagen?«
    »Wie denn? Auf husch-husch hören sie nicht.«
    »Für morgen früh nimmst du dir Steine mit ins Schlafzimmer. Ein Hahn ist schon schlimm genug. Aber gleich drei …«
    Eva hatte ihre Gymnastik beendet, blickte zufällig hoch, entdeckte Wolters am Fenster und winkte ihm zu. Ihr Gesicht glänzte in der Morgensonne, das blonde Haar leuchtete wie Gold. O herrliche, süße Jugend …
    Wolters ärgerte sich, daß er nicht zurückwinken konnte. Dorothea hätte es bestimmt bemerkt und gefragt: »Wieso begrüßt du auch noch die Hähne?« Und seine Antwort hätte ziemlich dumm geklungen.
    Da nichts im Leben von Hermann Wolters planlos verlief, entwarf die Familie am Kaffeetisch einen gleitenden Arbeitsplan. Gleitend insofern, daß jeder, mit Ausnahme von Manfred, der reihum als Handlanger diente, abwechselnd Stalldienst oder Stubendienst hatte. Ein Haus muß gepflegt werden, und Lebenskultur ist in erster Linie Sauberkeit.
    »Sie sind Frühaufsteher, Eva?« fragte Wolters, als er mit ihr den Stall säuberte und die Tiere tränkte und fütterte, während Gabi die Zimmer aufräumte, Dorothea das Frühstücksgeschirr spülte – das Wasser tröpfelte wieder nur – und Walter die Zündkerzen der beiden Autos vom Ruß befreite. Manfred war auf der Suche nach den Hähnen. Nach ihrem brutalen Morgenkonzert waren sie verschwunden, und der Junge trug sich mit der Absicht, den Krachmachern die Hälse herumzudrehen oder ihnen wenigstens die Schwänze auszureißen. In den Ferien um sechs Uhr morgens geweckt zu werden, und das vielleicht fünf Wochen lang, entspricht einer hundsgemeinen Folter.
    Aber es zeigte sich schon an diesem ersten Tag, daß der Weckruf der Hähne berechtigt war. Wenn man erst um acht Uhr aufsteht, kann man nicht um zehn am Strand liegen – auf keinen Fall, wenn man ein Ferienhaus mit sechs Schafen und vier Ziegen besitzt.
    »Ich habe es ja im voraus gesagt«, unkte Walter, als man um elf Uhr noch nicht abmarschbereit war, weil Wolters noch einmal baden mußte; er stank zu sehr nach Ziegenstall. Wer Ziegengestank kennt, wird voller Mitleid nicken. »Es gibt eine Katastrophe! Ich bin jedenfalls nicht bereit, wegen der Viecher einen halben Tag zu verlieren. Ich liege künftig schon am Morgen am Strand!«
    Man schaffte es, kurz vor halb zwölf die sechs Liegestühle in der neunten Reihe zu beziehen, begrüßte die Nachbarn mit Kopfnicken und glaubte zu bemerken, daß man sie forschend und teilweise sogar abweisend betrachtete, vor allem den vorlauten Manfred, der sofort sagte:
    »Nur Menschen! Kein Meer! Ist das doof!«
    Walter erfand eine hervorragende Ausrede, indem er verkündete, er müsse sich einen Film für seine Kamera kaufen, er hätte das vergessen. Damit setzte er sich ab und lief in den Ort zurück.
    Ziel war die Piazza, wo schon jetzt die ersten Hungrigen zum Mittagessen die Restaurants stürmten, vorwiegend Deutsche. Der Deutsche ist der früheste Esser, vor allem in südlichen Ländern fällt das auf. Wer etwa in Spanien nach neun Uhr abends ein Eßlokal betritt, wird kaum noch einen Deutschen vorfinden; in Italien ist das nicht anders.
    Ingeborg saß tatsächlich auf einer Bank, aber sie war nicht allein. Ein junger Mann mit Wuscheligen braunen Haaren saß neben ihr und sprach auf sie ein. Er war salopp, aber elegant gekleidet – mit jener Lässigkeit, die viel Geld kostet.
    Walter blieb in einiger Entfernung stehen, ärgerte sich maßlos, daß Ingeborg so fröhlich war und lachte und daß ihm vorerst die Möglichkeit genommen war, sie ein Luder zu nennen.
    Er wartete zehn Minuten, beobachtete das Getändel auf der Bank und entschloß sich dann doch, in Erscheinung zu treten. Mit den Händen in den Taschen seiner verwaschenen Jeans – warum revoltiert man eigentlich gegen Uniformen, wenn alle Revolutionäre völlig uniform verwaschene Jeans tragen? – trat er an die Bank und sagte muffig:
    »Was ist denn los?«
    Der junge

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