Mit Familienanschluß
Rot, das weißt du!« sagte Wolters abweisend. »Mir genügt, daß mein ältester Sohn rot ist. Da braucht meine Frau diese Farbe nicht auch noch auf dem Kopf zu tragen.«
Die Heimfahrt gelang wider Erwarten gut. – Man fand das Bauernhaus wieder. Nur Walter zeigte Konzentrationsschwächen. Zweimal fuhr er seinem Vater fast in den Kofferraum, einmal rammte er fast einen Eselskarren. Wolters fluchte, nannte seinen Sohn eine Schlafmütze und zeigte ihm im Rückspiegel einen Vogel.
Wie hätte er auch Walters seelische Verfassung ahnen können! Der hatte natürlich sofort den zusammengefalteten Zettel im Hupenknopf gefunden und gelesen. Die Nachricht lautete:
»Ich bin hier. Man schüttelt mich nicht ab. Du bist zwar einen Scheiß wert, aber ich liebe Dich trotzdem. Sehen wir uns morgen? Ich bin den ganzen Tag über auf der Piazza, sitze dort auf einer Bank. Ibo.«
»Was ist denn?« fragte Gabi, die hinten in Walters Citroën saß. »Springt die Karre nicht an? Haben sie dir schon den Motor geklaut?«
»Ingeborg ist hier«, erwiderte Walter dumpf. »So'n Luder! Was nun?«
»Nichts Paps sagen. Das zuerst.«
»Und dann? Sie will mich morgen sehen.«
»Geh hin.«
»Ich schmier' der eine!«
»Verhandeln halte ich für besser. Die kann dir die ganzen Ferien versauen, Walter. Wenn die bei uns im Ferienhaus aufkreuzt … Paps kriegt es fertig und quartiert sie auch noch bei uns ein.«
Grund genug also, um unkonzentriert zu fahren. Den Zettel warf Walter irgendwo aus dem Fenster. Ein ganz grober Fehler, wie man noch sehen wird …
Im Ferienhaus erwarteten sie zwei Überraschungen: Gabis Schlafzimmer stand unter Wasser. Sie hatte den Wasserhahn nicht richtig zugedreht gehabt, es war ja sowieso kein Druck in der Leitung gewesen. Aber gegen Abend änderte sich das erstaunlicherweise. Man muß das bloß wissen.
Die zweite Überraschung hatten die lieben Ziegen und Schafe hinterlassen. Sie waren über die Terrasse gelaufen und hatten sie gründlich vollgemacht. Schuld hatte Manfred, der das Gatter der Wiese nicht vorschriftsmäßig geschlossen hatte, nachdem er sich von den Tieren verabschiedet hatte.
Wolters brüllte herum, nannte seine Familie einen Haufen von Chaoten und säuberte mit mehreren Eimern Wasser im Schein von vier als Lampions verkleideten Lampen die Steine der Terrasse.
Es war ein romantisches Bild.
»Welch ein Tag«, sagte er später zu Dorothea, als sie, wie jeden Abend, ihr Gesicht eincremte, jetzt um so mehr wegen des Feuchtigkeitsverlustes durch die Sonne. »Die Fahrt hierher, das Haus, das Essen, der Strand … Was haben wir schon alles erlebt! Davon hätten unsere Eltern ihr Leben lang gezehrt. Das große Erlebnis meines Vaters zum Beispiel war 1938 der Reichsparteitag in Nürnberg.«
»Und vor zweihundert Jahren hätten wir mit der Postkutsche bis hierher einen Monat gebraucht.«
Wolters seufzte, legte sich ins Kissen zurück und schlief sofort ein. Sein Kraftverbrauch an diesem Tage war enorm gewesen.
Der erste richtige Tag im Ferienhaus von Diano Marina begann damit, daß morgens um sechs drei Hähne vor den Fenstern krähten.
Es waren penetrante Stimmen, die keinen Schlaf mehr zuließen. Sie krähten wie bei einem Wettbewerb um den besten Hahnenschrei, aber es waren herrliche, buntgefiederte Hähne mit blutroten Kämmen und langen, funkelnden Schwänzen – eben richtige italienische Papagalli!
Woher sie kamen, wußte niemand. Die Wolters hatten schon stillschweigend zur Kenntnis genommen, daß statt der avisierten vier Schafe sechs vorhanden waren und sich die Ziegen von drei auf vier vermehrt hatten. Aber weder Kollege Dr. Simpfert noch Ermano Zaparelli hatten etwas von Hähnen als Hausgenossen oder Anwohnern erwähnt.
Wolters trat ans Fenster, musterte die drei prächtigen Vögel mit zusammengekniffenen, müden Augen und war ein wenig versöhnt von dem anderen Anblick, der sich ihm bot: weißgoldene Morgensonne über Gärten, Pinien, Zypressen, Palmen und Hausdächern, über Stadt, Strand und Meer. Und über Eva Aurich, die in einem knappen Bikini im Garten zwischen den Rosenbüschen Gymnastik trieb.
Wolters war bisher nie ein großer Sportsmann gewesen, mit Ausnahme von Kegeln und Fußballspielen vor dem Fernseher. Aber als Humanist war er natürlich durchdrungen von der Weisheit, daß in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist wohnt, und diesmal nahm er sich ernsthaft vor, sich auch der Morgengymnastik zu widmen.
Rumpfbeugen und Rumpfdrehen, die Arme schwenken und auf
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