Mit Familienanschluß
das erste und letzte Mal, daß du uns so früh weckst! Ich bin im Urlaub!«
»Über die Hälfte seines Lebens verschläft der Mensch!«
»Das braucht er auch, um Kraft zu haben für Männer wie dich …«
Wolters verzichtete auf eine Diskussion über Undankbarkeit, ging ins Bad und klopfte dabei an die verschiedenen Zimmertüren. Bei Walter drückte er die Klinke hinunter. Abgeschlossen.
Sie wird doch wohl nicht die Geschmacklosigkeit besitzen und bei ihm schlafen, durchfuhr es Hermann Wolters heiß. Aber weshalb schließt der Junge dann die Tür ab? Was hat er zu verbergen, wenn er im Bett liegt?
Er rüttelte an der Tür und rief in scharfem Ton: »Aufmachen! Mach auf, Walter! Aufmachen!«
Im Zimmer rumorte es. Wolters hielt den Atem an. Er spürte, wie das Blut seinen ganzen Körper ausfüllte. Was werde ich gleich zu sehen bekommen? Wird er mich ins Zimmer lassen oder die Tür nur einen Spalt öffnen? Und drücke ich sie danach mit Gewalt auf? Soll ich mir die Blöße geben – vor meinem Sohn?
Der Schlüssel wurde im Schloß gedreht. Es knackte. Dann hörte er hinter der Tür Walters Gähnen. Es klang wie das gutturale Brüllen eines Raubtiers in Hermann Wolters' Ohren. Ein Benehmen hat der Bursche, dachte er angewidert. Und so etwas schafft es, Eva, diesen Engel …
»Aufmachen!«
»Bin schon da. Was ist'n los?«
Walter öffnete die Tür, keinen Spalt, sondern er stieß sie weit auf. Wolters drängte sich an ihm vorbei ins Zimmer und blickte sich schnell um.
Nichts. Auch keine Anzeichen dafür, daß hier eine Frau übernachtet hatte. Es bleibt immer ein zarter Duft von Parfüm zurück, ein Hauch von Weiblichkeit – natürlich nicht bei Ingeborg, aber bei Eva. Man soll nicht glauben, Wolters sei kein erfahrener Mann. Man kann auch durch Lesen und Erzählungen lernen.
»Was ist denn los?« fragte Walter noch einmal und gähnte wieder. Wie ein Nilpferd, fand Wolters diesmal. »Mitten in der Nacht …«
»Es ist sieben Uhr!« bellte Hermann Wolters. »Hast du schlecht geschlafen?«
»Ab jetzt ja …«
»Gib nicht so saublöde Antworten! Das mögen deine Genossen gewöhnt sein – ich nicht!« Wolters ging zum Fenster, blickte hinaus und entdeckte auch hier keine Spur, daß Eva nach seinem Anklopfen etwa geflohen sein könnte. Außerdem lag das Fenster zum Hinunterspringen zu hoch.
»Suchst du was?« fragte Walter, zog seine Pyjamajacke aus und reckte sich. Neidvoll mußte Wolters sich eingestehen, daß ein Neunzehnjähriger für junge Mädchen wohl eine interessantere Figur hat als ein Mann, der auf die Fünfzig zumarschiert. Da kann man sich drehen und winden, wie man will, den Bauch einziehen und das Kreuz hohl machen, man kann beim Gehen über die Zehenspitzen abrollen oder andere Tricks versuchen – die Jugend ist durch nichts zu ersetzen.
»Ich wollte nur sehen, welche Aussicht du von deinem Zimmer aus hast.«
»Auf scheißende Schafe.«
»Benimm dich!« Hermann Wolters lehnte sich gegen die Wand, warf einen Blick auf das Bett und stellte sich wieder die wildesten Szenen vor. Walter kratzte sich die Brust wie ein Gorilla und lief ziellos im Zimmer herum.
»Ist das Bad frei?« wollte er wissen.
»Mami wird drin sein.«
»Dann hab' ich ja noch 'ne halbe Stunde Zeit und penn' weiter.«
»Diese Respektlosigkeit deiner Mutter gegenüber stinkt zum Himmel!«
»Du hast heute morgen aber auch gar keinen Humor …«
»Du um so mehr, was?«
»Und wie! Ich bin in Bombenstimmung! Laß mich nur erst mal richtig wach sein …«
Hermann Wolters fand Walters Benehmen ekelhaft, ja geradezu provozierend. Natürlich hat er eine Bombenstimmung, dachte Wolters verbittert. Wer Eva im Arm gehabt hat, muß sich paradiesisch vorkommen.
»Deinen Stalldienst übernehme heute ich«, sagte er. »Du bist doch eingeteilt?«
»Ja, mit Eva.«
»Du kannst statt dessen die Wagen waschen. Sie sehen furchtbar aus! Man muß sich schämen, mit ihnen in die Stadt zu fahren. Man kann sie ja nicht nur nachts benutzen …«
Walter reagierte auf diese Anspielung nicht. Vielleicht verstand er sie auch nicht.
Mein Sohn hat eben kein Gespür für feinsinnige Bemerkungen, dachte Wolters. Er ist mehr fürs Zupacken. Das hat er bewiesen.
Er stieß sich von der Wand ab, ging zur Tür und betrachtete seinen Sohn, der halbnackt auf der Bettkante saß und auf das Freiwerden des Badezimmers wartete. Dabei dachte er an Ingeborg und machte ein verflucht glückliches Gesicht, das Hermann Wolters allerdings anders deutete.
»Du
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