Mit Familienanschluß
scheinst wirklich sehr fröhlich zu sein …«, sagte er voller Ingrimm.
»Bin ich auch. Wenn du wüßtest, Paps …«
»Was?«
»Später.«
»Warum nicht jetzt?«
»Das braucht seine Zeit.«
»Eine Überraschung?«
»So ähnlich …«
»Überraschungen von deiner Seite sind immer mit der Zange anzufassen!« sagte Hermann Wolters. »Nun red schon.«
»Später, Paps. Ich spreche nicht gern über Halbheiten.«
»Seit wann das? Bisher hast du doch nur Halbheiten geliefert.«
»Ich habe von dir gelernt, nur dann zu reden, wenn man auch etwas zu sagen hat.«
»O Gott, mein Sohn nimmt Lehren an! Wohin bist du gekommen, Genosse Demonstrant?«
»Ich glaube, damit wird es bald zu Ende sein …«
»Das wirft aber die Revolution gewaltig zurück.«
Völlig klar, dachte Wolters dabei und spürte wieder Stiche in der Brust, daß er sich aus seinem bisherigen Kreis löst. Eva wird ihm gesagt haben, was sie von seinem Umgang hält, und ein Mann, der liebt, kann alles über Bord werfen, was ihm bisher noch als wertvoll erschien. Er räusperte sich.
»Das müssen ja einschneidende Ereignisse sein!«
»Sind es auch, Paps …«
»Bitte, nähere Erklärungen!« sagte Wolters atemlos.
»Jetzt nicht. Guck doch mal, ob das Badezimmer frei ist.«
»Hör doch mit dem verdammten Badezimmer auf!« schrie Wolters plötzlich. Auch der stärkste Wille kann eine innere Qual nur bis zu einer gewissen Grenze beherrschen. »Deine dunklen Andeutungen machen mir Sorgen!«
»Kein Anlaß dazu, Paps.« Walter grinste ihn vergnügt an. Die Strandnacht mit Ingeborg lag noch in ihm, als habe sie sich eingebrannt. »Zu gegebener Zeit lasse ich die Luft raus.«
Wolters erkannte, daß jede weitere Minute ihn nur noch dazu veranlassen würde, unsachlich zu werden. Die Gefahr bestand, daß seine innersten Gefühle nach oben explodierten. Er warf noch einen Blick auf den braungebrannten, muskulösen Oberkörper seines Sohnes und verließ dann das Zimmer.
Im Bad hörte er Dorothea rumoren, unten in der Küche klapperte schon Gabi mit dem Geschirr, und aus dem Zimmer von Manfred ertönte laute Musik aus einem Kassettenrecorder. Trotzdem schrak Wolters zusammen, als sich gerade jetzt Evas Tür öffnete und sie auf den Flur trat. Sie trug einen hellroten Bademantel, hatte die blonden Haare hochgesteckt und mit einem Band aus der Stirn gekämmt.
Wolters bekam plötzlich einen trockenen Hals.
Unter dem Bademantel ist sie nackt, durchfuhr es ihn. Natürlich ist sie nackt. Trotz des Bindegürtels hält sie ihn zu … Das kenne ich von Dorothea. Eva läuft hier nackt herum, weil sie nicht erwartet hat, mich auf dem Flur zu treffen.
»Guten Morgen, Herr Wolters«, sagte Eva. Auch sie sah so hundsgemein fröhlich und zufrieden aus! Wie doch ›so etwas‹ den Menschen verändert! »Ist das Bad frei?«
»Meine Frau ist drin. Außerdem steht schon Walter auf dem Sprung.«
»Dann bade ich später. Ist auch besser so. Ich habe ja Stalldienst.«
»Mit mir!«
»Ich denke, mit Walter?«
»Wir haben gewechselt. Walter wäscht die Autos. So wie sie jetzt aussehen, sind es ja Nachtfahrzeuge.«
Auch hier keine Reaktion. Wie abgebrüht sie doch sind, dachte Wolters bitter. Wie abgrundtief schamlos! Wer hätte das hinter Eva vermutet? Ein so offener Blick, so treue, blaue Augen, ein so sonniges Wesen – und dann diese herbe Enttäuschung! Wenn man sie so ansieht, scheint es geradezu undenkbar, daß sie mit einem Jungen wie Walter … Geschmacklos ist das! Unter ihrer Würde! Ein unbegreifliches Verschenken der Tugend …
»Ich ziehe mich schnell an!« sagte Eva und lächelte Wolters an. Ein Lächeln, das ihm körperlich weh tat. »Dann komm ich in den Stall …«
Aus dem Bad hüpfte jetzt Dorothea. Sie hüpfte tatsächlich, weil sie im Schlafzimmer eines ihrer Pantöffelchen nicht gefunden hatte. »Das Bad ist frei!« rief sie. »Wer kommt als Nächster?«
»Walter.«
»Achtung vor Überschwemmung! – Morgen, Eva …«
Das ist hier ein Irrenhaus, dachte Wolters und folgte seiner Frau ins Schlafzimmer. Fünf Wochen lang werden wir wie die Verrückten sein. Am Ende der Ferien bin ich reif für einen Genesungsurlaub, befreit von dieser Familie, allein irgendwo in den Bergen, wo sich die Nerven im Duft sonnenwarmer Almwiesen beruhigen können.
Er wusch sich, zog sich an und ging hinunter in den Stall.
Eva war schon da und hatte die Tür geöffnet. Auch die drei Hähne, heute sehr spät dran, saßen auf dem Zaun und krähten aus voller Kehle.
Wolters
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