Mit Familienanschluß
Halma spielen oder Schach, ›Siebzehn und vier‹ und Canasta.
Nur Skat spielte Wolters nicht mit seiner Frau. Dorothea gewann immer – sie war eine Naturbegabung im Skat. Sie reizte und bluffte, sie spielte mit zwei Buben, als hätte sie vier, und wenn sie einen Null ouvert hinfeuerte, geriet Wolters in Wallung und schwor sich, nie mehr mit Hasi zu spielen! In solchen Situationen fühlte er sich ziemlich klein, und welcher Mann kann das ertragen!
Am fünften Tag endlich erstrahlte der Himmel wieder in wolkenlosem Glanz. Das Meer blinkte, der Sandstrand leuchtete weiß, die roten Dächer von Diano Marina glänzten sauber gewaschen.
An diesem Morgen, bevor die Familie geschlossen zum Strand abrückte, brachte der Briefträger mit seinem kleinen Fiat zum ersten Mal Post in das Ferienhaus.
Wolters nahm den Brief in Empfang wie einen Millionenscheck, schenkte dem Briefträger tausend Lire, riß das Kuvert auf und überflog die Zeilen. Dann ließ er das Schreiben sinken und sah seine erwartungsvolle Familie mit dem Blick eines getretenen Hundes an.
»Onkel Theo und Tante Frida kommen«, sagte er gepreßt. »Hierher! Wer, zum Teufel, hat ihnen geschrieben, daß wir ein Ferienhaus gemietet haben?«
XI
Jeder Mensch hat Verwandte, der eine mehr, der andere weniger! Es gibt Frohsinnige, die freuen sich über diesen Anhang, und es gibt eine Menge Düsterlinge, die Türen und Fenster verrammeln, wenn weitläufige Angehörige in der Nähe gesichtet werden.
Über Verwandte kann man endlos schreiben; sie bieten Stoff für ganze Bibliotheken, weil es nichts gibt, was bei ihnen nicht möglich wäre. Von Onkel Fritz angefangen, der mit neunundsiebzig eine Dreiundzwanzigjährige heiratete und noch einen Sohn in die Welt setzte, bis hin zu Tante Erna, die sich als Schoßtier eine Pythonschlange hielt. Auch Oma Anna-Maria gehört dazu, die sich mit dreiundsiebzig Jahren ein Motorrad kaufte, einen superschweren Flitzer, und im Lederdreß damit bis zur französischen Atlantikküste fuhr, wo die konsternierte Polizei ihr erst einmal den Führerschein abnahm und auf dem Wege der Amtshilfe in Deutschland nachfragte, ob es bei Omas Führerschein mit rechten Dingen zuginge.
Die Verwandtschaft der Familie Wolters war klein aber oho!
Onkel Theo Radler war der Bruder von Dorotheas Vater. Er hatte früher einmal die Vertretung für einen pharmazeutischen Artikel gehabt, den jeder brauchte und der deshalb eine wahre Goldgrube war. Der Onkel bewohnte in Bad Pyrmont eine Jugendstilvilla in der Nähe des Kurparks und lebte, wie man so schön sagt, von seinem Vermögen. Aktien und andere Geldanlagen liefen wie ein Wasserkran und spuckten mehr Geldscheine aus, als Onkel Theo verbrauchen konnte. Es war im Familienkreis bekannt, daß er auch in der Schweiz und auf den Bahamas ein Konto hatte mit unbekannten Summen darauf. Darüber sprach man nicht offiziell, aber bei jedem Händedruck von Onkel Theo war es, als klimperten in seinen Adern Franken- und Dollarstücke.
Onkel Theo war Witwer, hatte keine Kinder, keinen Anhang, keine Geliebte, wurde im Oktober fünfundsiebzig und soff wie ein Gully. Er residierte in einer wunderbaren Villa, für die ihm Liebhaber schon drei Millionen geboten hatten, was ihn allerdings überhaupt nicht zum Verkauf animieren konnte, ging im Kurpark von Bad Pyrmont spazieren, saß auf den weißen Stühlen beim Kurkonzert und kannte jeden – vom Hilfsarbeiter angefangen, der im Park mit einem langen Stock mit einer Eisenspitze das herumliegende Papier aufspießte, über die Stammgäste des Bades bis hin zum Kurdirektor und Oberbürgermeister. Diese beiden gratulierten Onkel Theo zu Weihnachten und zu seinem Geburtstag besonders herzlich, weil Theo Radler jedes Jahr eine größere Summe spendete und schon eine Reihe Parkbänke gestiftet hatte.
Onkel Theo war ein fröhlicher Mann, der zu leben verstand, der gern gut aß, was ihm einen hohen Zuckerspiegel einbrachte, mit dem er aber in einer Art Zweiergemeinschaft lebte und den er immer wieder in Grenzen hielt, indem er einmal jährlich für vier Wochen in einem Bad verschwand, wo er mit diversen Diäten gequält wurde.
Solange man mit ihm nicht über Geld redete, war er der verträglichste Mensch; er wurde nur saugrob, wenn man ihn auf seine Bankkonten ansprach oder frotzelte, er habe sich an kranken Menschen gesundgestoßen.
Von ganz anderem Kaliber war Tante Frida Vornebusch aus Bückeburg.
Die Vornebuschs waren die Familienmitglieder von Hermann Wolters' Mutter,
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