Mit Familienanschluß
und Tante Frida war deren Schwester. Es war eine Unachtsamkeit von Wolters' Vater gewesen, daß er nach der Hochzeit seine Schwägerin nicht erschlagen hatte. Er merkte erst später, daß er auch Frida mitgeheiratet hatte.
Tante Frida war natürlich ledig geblieben und Lehrerin geworden. Es gab Legionen von ehemaligen Schülern, die bei dem Namen Vornebusch sofort erbleichten, aber – da sie Tante Frida jahrelang tapfer ertragen hatten – auch von einer bemerkenswerten Lebenstüchtigkeit waren. Vor allem in Heimatkunde waren sie unschlagbar – Fräulein Vornebusch hatte drei Heimatbücher geschrieben.
Auf ihren Namen Frida ohne ›e‹ in der Mitte war sie besonders stolz. Friedas mit ›e‹ gab es genug, aber Frida war rein germanisch und sollte, so deutete sie es wenigstens, von Freia herkommen, von der blonden, strahlenden Göttin der Schönheit und Liebe.
Daß sie selbst dunkelhaarig war, störte bei diesen Erklärungen nicht, auch nicht ihre Größe von nur 1,61 Metern, die verhindert hatte, daß sie zu den Parteitagen nach Nürnberg hatte fahren dürfen. Dessen ungeachtet war ihr größtes Erlebnis das Erntedankfest von 1938 in Bückeburg gewesen, bei dem sie mit der Oberklasse vor dem Führer Adolf Hitler zwei Volkslieder hatte singen dürfen, für die sich Hitler dann mit einem deutschen Gruß und einem stahlharten Blick seiner funkelnden Augen bedankte.
Das wenigstens beschrieb Tante Frida in ihrem zweiten Buch ›Ernte am Bückeberg‹ mit glühenden Worten, was ihr später, 1945 bei der Entnazifizierung, gewaltige Schwierigkeiten machte und zu ihrer Einstufung als ›Mitläufer‹ führte. Heute schämte sie sich dieses Buches und ärgerte sich, daß noch einige Exemplare in der Familie existierten. Hermann Wolters' Idee, eine veränderte Neuauflage herauszubringen, natürlich unter Weglassung des enthusiastischen Hitler-Kapitels, verwarf sie, als sei es ein Satansbuch, das sie da geschrieben hatte.
Tante Frida war wenig aus Bückeburg herausgekommen. Das lag daran, daß niemand sie haben wollte. Die übrige Verwandtschaft ging in Deckung, wenn sie sich anmeldete, erfand Krankheiten (vor denen sie eine heilige Angst hatte), oder verreiste selbst.
Allein zu reisen, war Tante Frida zu unbequem. Sie hatte es viermal versucht und war immer ohne Anschluß geblieben. Außerdem fand sie die anderen alleinreisenden Damen ihrer Altersklasse reichlich primitiv. Sie sprachen nur von ihren Krankheiten, ihren Kindern und ihren Enkeln. Von all dem konnte Frida nichts vorweisen und mußte passen. Begann sie ein geistiges Gespräch, etwa über die Naturschilderungen in den Romanen von Dos Passos, saß sie bald allein am Tisch. Die Umwelt ist ja so dumm …
Um Tante Frida mit einem Satz zu umreißen: Als ihr Verlag ihr letztes Buch unter Frieda mit ›e‹ herausbrachte, führte sie einen jahrelangen Prozeß wegen Körperverletzung. Das ›e‹ auf dem Buchtitel hatte ihr Herz geschädigt …
»Wer zum Teufel hat den beiden denn nur geschrieben, daß wir ein Ferienhaus gemietet haben?« rief Hermann Wolters also in berechtigtem Entsetzen und schwenkte den Brief, der ihm gerade gebracht worden war. Onkel Theo hatte ihn geschrieben, nachdem Tante Frida ihn angerufen hatte.
»Ich«, gestand Manfred maulend. »Zwei Ansichtskarten waren es.«
»Bist du denn verrückt!« schrie Wolters.
»Bei euch kann man auch nie was richtig machen!« Manfred verzog trotzig das Gesicht. »Ihr habt immer gesagt: Onkel Theo und Tante Frida haben keine Erben, man muß sie pflegen. Na, und da habe ich gedacht …«
»Und sie haben prompt reagiert. Sie kommen in zehn Tagen zu uns. Für eine Woche! Tante Frida war noch nie an der Riviera, und Onkel Theo will seine früheren Nahkampfstätten noch einmal sehen.«
»War Onkel Theo hier Soldat?« fragte Manfred.
Walter grinste. »Und wie! Er hat hier in vielen Stellungen gelegen …«
»Walter!« Das war Dorothea, und der Neunzehnjährige zuckte zusammen.
»Pardon, Mami.«
»Du mußt das abbiegen, Hermann!« sagte Dorothea und überlas ebenfalls schnell den Brief aus Bad Pyrmont.
»Wie denn?« fragte Wolters hilflos.
»Innerhalb von zehn Tagen wird dir schon was einfallen.«
»Onkel Theo wird sofort merken, daß es eine Ausrede ist.«
»Erfinde irgendeine ansteckende Krankheit. Schreib, die Kinder hätten Typhus bekommen. Oder noch besser: Manfred hätte Scharlach …«
»Immer ich!« rief Manfred protestierend. »Gabi hat nie was!«
»Es wäre unklug, Onkel Theo und Tante
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