Mit Fünfen ist man kinderreich
mochte sie aber auch nicht und gab das angeknabberte Stück später an Wenzel-Berta weiter.
In feierlicher Prozession trugen wir die Torten auf. Die erwartete Begeisterung blieb aus.
»Quarktorte schmeckt mir nicht.«
»Sind das da Aprikosen? Dann esse ich das nicht.«
»Den Kuchen da hinten kenne ich, den hat mei Mutter backt!«
»Hen Sie koi Apfeltorte?«
Verwöhnte Bagage! Da steht man nun stundenlang und komponiert die schönsten Kunstwerke, und das ist dann der Dank! Vor lauter Ärger hatte ich total vergessen, daß ja diesmal Wenzel-Berta die Schöpferin dieser verschmähten Köstlichkeiten war. Sie selbst nahm das weniger tragisch. »Lassen Se man. Die tun immer erst meckern, und dann essen sie doch!«
Sascha zündete seine neun Kerzen an, dann blies er sie schnell wieder aus. Sie hatten sich in der Hitze verbogen und zeigten melancholisch mit dem Docht nach unten. Immerhin hatten wir knapp 30 Grad im Schatten. Also keine Illumination! War vielleicht auch besser so. Die ersten Papierservietten segelten, zu Flugzeugen gefaltet, bereits über den Tisch.
Endlich war die Kaffeeschlacht geschlagen. Ungefähr drei komplette Torten waren übriggeblieben, und obwohl ich Wenzel-Berta eine große Portion mitgab, ernährten wir uns in den folgenden Tagen überwiegend von Kuchen, bis wir keinen mehr sehen konnten.
Was jetzt? Ich hatte zwar zusammen mit Sven und Sascha in langen Beratungen ein Unterhaltungsprogramm aufgestellt, ahnte aber schon, daß ich damit keinen Erfolg haben würde. Die Knaben sprühten vor Unternehmungsgeist. Topfschlagen wurde aber noch akzeptiert. Dabei konnte man ja etwas gewinnen. Ein paar Jungs kannten das Spiel noch nicht einmal, und einer von ihnen drückte mir das soeben eroberte Matchboxauto mit bedauernder Miene wieder in die Hand.
»Gefällt es dir nicht?« fragte ich, »vielleicht kannst du es gegen ein anderes tauschen.«
»Freilich g'fallt's mir, derf ich denn das behalte?«
»Mensch, das ist doch so eine Art Gastgeschenk«, klärte Sascha seinen Freund auf. »So was gab es doch schon bei den alten Römern.« Seitdem Sascha ›Asterix‹ las, waren ihm die Sitten unserer Vorfahren durchaus geläufig.
Die Knaben beschlossen, Räuber und Gendarm zu spielen. Von mir aus, dann war ich sie wenigstens für eine Weile los! Die ausgelosten Räuber bekamen rote Bändchen um den Oberarm – Reste vom letzten Weihnachtsfest – und verschwanden. Die Gendarmen stärkten sich inzwischen mit Sprudel und trabten zehn Minuten später ebenfalls ab.
Himmlische Ruhe!
Eine Stunde verging. Die nächste Stunde verging.
Ab und zu tauchte mal ein jugendlicher Ordnungshüter mit seinem eingefangenen Räuber auf – hauptsächlich zwecks Nahrungsaufnahme –, dann wurde der Räuber amnestiert und rannte wieder los, während der inzwischen schon etwas träge gewordene Gendarm gemütlich hinterherstiefelte.
Rolf fing an, seinen Würstchenstand aufzubauen. Die Kinder kamen nicht. Die ersten Würstchen rochen schon angebrannt. Die Kinder kamen noch immer nicht. Wenzel-Berta und ich aßen die Würstchen. Die Kinder waren noch nicht da.
Endlich tauchte die Vorhut auf, angeführt von Sascha, der aussah, als hätte er Kohlen geschippt. Dann folgte der Rest. Der hatte ihm anscheinend beim Schippen geholfen. Kurze Reinigung unter dem Gartenschlauch, dann mit Gebrüll auf die Würstchen.
Richtige Schwaben sind mehr für Handfestes. Sie gehen nicht wie normale Sterbliche nach einem Einkaufsbummel oder einem Kinobesuch in eine Konditorei, nein, sie ›veschpern‹. Darunter versteht man eine handfeste Zwischenmahlzeit mit Brot, hausgemachter Leberwurst, Gselchtem, manchmal auch Sauerkraut, auf jeden Fall aber mit Wein. Kein Wunder also, daß sich unsere Gäste auf die Würstchen stürzten und Nachschub verlangten. Sven wurde in den ›Löwen‹ geschickt, vielleicht hatte Frau Häberle noch stille Reserven. Sie hatte. Aber sie reichten nicht. Wenzel-Berta schmierte Brote und belegte sie mit allem, was sie in Kühlschrank und Keller fand, einschließlich Thunfisch und Gulasch in Dosen. Die Sprudelvorräte waren alle, jetzt mußte ich doch an den Apfelsaft heran.
»Hend Sie au Moscht?«
Nein, Most hatte ich nicht, fand das für Zehnjährige auch absolut ungeeignet.
»Ha, i trink aber immer Moscht!«
Sollte er doch. Hier gab es jedenfalls keinen.
Inzwischen war es stockdunkel geworden, und ich fand, daß man nun allmählich zum Schluß kommen sollte. Die Knaben fanden das nicht. Sie spielten Verstecken
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