Mit Fünfen ist man kinderreich
interviewen hatte. Die Auftragslage sei gut, man habe gerade ein neues Programm in die Fertigung aufgenommen, und ob Rolf nicht vielleicht hierfür auch einen Prospekt…
Rolf entdeckte, daß ihm diese Arbeit entschieden mehr Spaß machte als die Zeilenschinderei bei der Presse, sagte Zeitung und Redaktion ade und widmet sich seitdem der Propagierung von Konsumartikeln. Er fotografierte Pelzmäntel und Wohnwagen, Schaufelbagger und Modeschmuck, schrieb Werbetexte für Dosenwurst und Kopfschmerztabletten, und auf Wunsch lieferte er auch die graphische Gestaltung irgendwelcher Reklameträger. Da das Kind im Mann gelegentlich spielen will, vergrub er sich hin und wieder in seinem Arbeitszimmer – nunmehr Studio genannt – und bastelte mit Pappe, Klebstoff und Plastik Modelle von Warenaufstellern und Displays zusammen, die den Hausfrauen später in jedem Lebensmittelgeschäft begegnen und sie zum Kauf von Eiernudeln oder Ölsardinen animieren sollen. Einmal war's auch ein Aufsteller für Schokolade, und da die Herstellerfirma als Muster keine Attrappen, sondern ihre echten Erzeugnisse zur Verfügung gestellt hatte, waren die Kinder von diesem Auftrag ganz begeistert.
Bis heute ist es noch keinem Werbemenschen gelungen, die Vielfalt der einzelnen Fähigkeiten, über die so ein vermeintliches Allerweltsgenie verfügen sollte, in einer allgemein verständlichen Berufsbezeichnung unterzubringen. So packt man alles in den Oberbegriff ›Werbeberater‹, und wem das zu simpel klingt, der nennt sich Art Director oder Designer.
Hinter unserem Namen stand im Telefonbuch jedenfalls Werbeberater, und weil man sich darunter nichts Genaues vorstellen konnte und wir darüber hinaus fünf Kinder hatten, was auch noch ungewöhnlich war, hielt man uns zwar für etwas unseriös, aber die Heidenberger waren trotzdem der Meinung, »es sind arg nette Leut«.
Eigentlich wollte ich ja von Saschas Geburtstag erzählen: Der Beginn des Festaktes war für 15 Uhr vorgesehen. Eine halbe Stunde vorher waren bis auf einen Nachzügler sämtliche Gäste versammelt. Manche erkannte ich gar nicht wieder. Mit blankgewienerten Gesichtern und blütenweißen Hemden waren sie mir vorher nie begegnet. Im übrigen waren es zwei mehr als vorgesehen.
Ein Knabe hatte seinen vierjährigen Bruder mitgebracht, auf den er während der Abwesenheit seiner Eltern aufpassen mußte, der andere war ›nur mal so zum Gucken‹ mitgekommen. Natürlich durfte er bleiben, wenn ich ihn auch in Ermangelung eines Stuhls auf eine leere Bierkiste setzen mußte. Der kleine Außenseiter wurde Stefanie anvertraut, die ihn so mit Kuchen vollstopfte, daß der arme Kerl, wie mir anderntags berichtet wurde, »die ganze Nacht kotzt hat!«
Wir warteten also nur noch auf Gerhard, der schließlich den Hohlweg entlanggestapft kam, im Garten seine dreckigen Cordhosen in die lehmbespritzten Gummistiefel stopfte, sich dreimal durch die Haare fuhr, befriedigt feststellte, »ihr hend ja doch noch nicht ang'fange« und den einen noch leeren Stuhl ansteuerte.
»I komm grad vom Feld und hab denkt, i bin zu spät!«
Mein dezenter Hinweis, doch schnell nach Hause zu gehen und sich ein bißchen luftiger anzuziehen, hatte nicht den gewünschten Erfolg. »I ziag mei Hemd aus, und mit denne Stiefel kann ich auf der Terrass' ja nichts dreckig mache!«
Saschas Methode war brutaler. »Entweder ziehst du altes Ferkel (anstandshalber unterschlage ich die Originalversion) dich anständig an, oder du fliegst raus!«
Gerhard verschwand und tauchte nach verdächtig langer Zeit wieder auf, von oben bis unten geschrubbt, mit nassen Haaren und im Sonntagsstaat. Auf seiner linken Wange zeichneten sich noch Fingerspuren ab. Anscheinend hatte Frau Söhner ihrem Sohn handgreiflich klargemacht, was sie von seinen Manieren hielt!
Sascha hatte inzwischen seine Geschenke ausgepackt. Bekanntlich sind echte Schwaben sparsam, und deshalb schenkt man praktisch. Saschas nunmehriger Vorrat an Radiergummis, Buntstiften, Kugelschreibern und Anspitzern würde voraussichtlich bis zum Ende der Schulzeit reichen, Hefte hatte er jetzt auch genug, und von den sechs Quartettspielen waren zwei doppelt. Die fast jedem Päckchen beigelegten Schokoladentafeln wurden vorsortiert. Aus Mokka machte sich Sascha nichts, die legte er zur Seite als spätere Tauschobjekte; Vollmilch-Nuß und Krokant kamen zum alsbaldigen Verzehr auf einen anderen Stapel, und die Tafel Halbbitterschokolade schenkte er großzügig seiner Schwester. Stefanie
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