Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
im Wald verbracht.
    In und um Heidenberg gab es genügend Wald, und als Rolf in unserem Garten die ersten Morcheln entdeckte, erklärte er die Pilzsaison für eröffnet und zog in jeder freien Minute mit Spankorb und Küchenmesser los. Besonders die Wochenenden standen im Zeichen der Pilze, und ob wir anderen wollten oder nicht, wir mußten mit. Spaziergänge fördern die Durchblutung, und Waldluft ist sehr gesund!
    Nun ist es mit dem Pilzesammeln so ähnlich wie mit dem Roulettspielen: Hat man erst einmal angefangen, dann kann man nicht mehr aufhören! An manchen Tagen brachten wir zehn Pfund und mehr mit nach Hause. Pilze schmecken gut, aber man kann sie nicht ständig essen. Wir taten es trotzdem. Es gab Pilzragout, Pilzpastete, Pilzsuppe, Pilze auf Toast, Fleisch mit Pilzen und Pilzomelette. Es gab so lange Pilze, bis Sven eines Tages während des Mittagessens seinen Löffel in den Teller warf (wir aßen gerade Gemüsesuppe mit Pilzen) und erklärte: »Ich kann das Zeug nicht mehr sehen!«
    Die Ausbeute der nächsten Waldwanderung bekam Wenzel-Berta. Die war begeistert und nahm auch noch die nächsten vier Körbe dankbar entgegen. Den fünften lehnte sie ab mit der Entschuldigung, »der Eugen will nu nich mehr immer Pilze«. Dann kam mir der Gedanke, daß ich mich jetzt endlich einmal bei meinen Nachbarn für die in so reichem Maße gespendeten Salat- und Kohlköpfe revanchieren könnte, und kreuzte mit der nächsten Pilzladung bei Frau Kroiher auf. Die musterte meine Gabe mißtrauisch.
    »Hend Sie das da selbst g'sammlet?«
    »Ja, natürlich, die sind ganz frisch.«
    »Sind Sie mir net bös, aber das esset wir net.«
    »Mögen Sie keine Pilze?«
    »Ha freilich, aber i nehm nur gekaufte. Und im Winter halt welche aus der Dose.«
    Weder mein Hinweis, daß wir schon seit zwölf Jahren Pilze sammeln und essen und immer noch leben, noch meine Bemerkung, auch gekaufte Pilze müsse letzten Endes irgend jemand gepflückt haben, nützten etwas. Ich wurde meine Ausbeute nicht los. Die anderen Dorfbewohner reagierten ähnlich. Alle aßen gerne Pilze, aber keiner wollte sie haben.
    Also fingen wir an, die Dinger zu trocknen. Sie wurden auf Zwirnsfäden gezogen und in die Fenster gehängt. Dann kam ich auf die Idee, Pilze einzufrieren. Als wir sie später auftauten und zubereiteten, schmeckten sie wie gekochte Mullbinden. Wenzel-Berta meinte, man könne ja welche einwecken. Wir taten auch das, nur offenbar völlig unvorschriftsmäßig. Jedenfalls behauptete Rolf ein paar Wochen darauf, im Keller müsse irgendwo eine Ratte verwesen, anders könne er sich den sehr intensiven Geruch nicht erklären. Sven wurde auf die Suche nach der Ratte geschickt, fand keine, meinte aber, die eingemachten Pilze stänken erbärmlich. Kein Wunder, sämtliche Gläser waren aufgegangen.
    Und dann passierte die Geschichte mit den Gallenröhrlingen! Rolf hatte bei einem seiner sonntäglichen Pirschgänge durch das Unterholz einen Herrn kennengelernt, der gleich ihm Pilzliebhaber war, und mit dem er fortan des öfteren durch die Wälder streifte, weil Frau und Kinder in zunehmendem Maße die Begleitung verweigerten.
    Nach einer dieser Exkursionen kam er freudestrahlend nach Hause und kippte einen Berg junger Steinpilze auf den Tisch. »Die müssen über Nacht gewachsen sein, noch kein einziger ist wurmstichig!« Und weil gerade das Gulasch auf dem Herd brodelte, und weil wir schon seit drei Tagen keine Pilze mehr gegessen hatten, kam die ganze Ausbeute sofort in den Topf. Die Fertigstellung des Essens überließ ich Rolf. (Nach seiner Ansicht kann außer ihm niemand Pilze richtig zubereiten, aber da er sie selber putzt und sogar die dazugehörigen Zwiebeln schält, überlasse ich ihm in solchen Fällen die Küche ohne Protest.)
    »Probier mal, ich finde, es schmeckt heute besonders pikant.«
    Der Küchenchef überreichte mir einen Teelöffel. Ich probierte und japste nach Luft. Das Zeug war gallenbitter!
    »Hast du etwas Angostura reingekippt?«
    »Nein, wieso? Ich habe nur ein bißchen Sojasoße genommen.«
    Nun muß ich erwähnen, daß Rolf offenbar falsch programmierte Geschmacksnerven hat, die Empfindung für ›bitter‹ ist nicht vorhanden. Er ißt bittere Mandeln genauso gerne wie Orangenmarmelade, Magen-Liköre, die ich nicht herunterbringe, bezeichnet er als delikat, und Campari trinkt er grundsätzlich pur. Vermutlich könnte ich ihm Arsen ins Essen schütten, er würde selbst das nicht merken.
    Sven tauchte in der Küche auf, bekam

Weitere Kostenlose Bücher