Mit Fünfen ist man kinderreich
– und meinte dann erstaunt: »Ich denke, Sie sind man schon längst weg zu der Impferei.«
Himmel, das hatte ich total vergessen. Heute fand ja die Pockenschutzimpfung für Kleinkinder statt, und weil im hiesigen Gemeindehaus die Heizung nicht funktionierte, hatte man das ganze Unternehmen kurzerhand nach Aufeld verlegt und den großen Saal vom ›Goldenen Hahn‹ zur Impfstation deklariert. Draußen regnete es Bindfäden, Rolf war nicht da, und Hannibal stand wegen eines noch nicht genau diagnostizierten Wehwehchens in der Reparaturwerkstatt.
Normalerweise hätte ich mich jetzt an eine motorisierte Leidensgefährtin gewandt, die auch mit ihrem Baby zu dem Massenauftrieb nach Aufeld mußte, aber dazu war es inzwischen zu spät geworden. Im dörflichen Einerlei bedeutet sogar etwas so Banales wie eine Schutzimpfung eine gewisse Abwechslung, und ich konnte sicher sein, daß alle vorgeladenen Mütter samt Kindern bereits seit einer halben Stunde im ›Goldenen Hahn‹ saßen und auf den Beginn des Spektakels warteten.
»Könnte uns Ihr Mann nicht schnell rüberfahren?« Eugen war seit einem halben Jahr pensioniert und in Notfällen zu Chauffeurdiensten gern bereit.
»Das geht nich, weil der is ja nich da. Der is heute früh mit dem Kleinschmitt nach Heilbronn gefahren, weil da is Kälbermarkt, und der Otto will welche kaufen, und da is der Eugen mit, weil der versteht ja was von Rindvieh, und der Otto nich. Der is bloß eins!«
Pech gehabt, wäre ja auch zu schön gewesen!
»Da fällt mir aber was ein«, begann Wenzel-Berta wieder. »Die sind doch mit dem Kleinschmitt sein Auto weg, und dem Eugen seins steht zu Hause. Fahren Sie doch mit dem! Die Schlüssel sind auch da, weil die hängen immer neben der Kellertreppe.«
»Das geht nicht, ich kann doch nicht einfach den Wagen von Ihrem Mann nehmen.«
»'türlich geht das. Der Eugen würde das bestimmt machen, weil der sagt immer, dafür, daß Sie 'ne Frau sind, tun Sie ganz ordentlich fahren.«
Welch ein Kompliment aus berufenem Munde! Inzwischen wußte ich längst, daß Eugen während seiner Soldatenzeit dem Fuhrpark des Verpflegungstrosses zugeteilt war und Dauerwurst durch Rußlands Steppen gekarrt hatte.
»Na schön, wenn Sie meinen… aber kommen Sie lieber mit!«
Ich zog mich schnell an, machte die Mäuse ausgehfertig, dann trotteten wir zusammen, jede mit einem Zwilling auf dem Arm, zu Wenzel-Bertas Behausung.
Das grüne Auto stand tatsächlich auf dem kleinen Vorplatz, die Wagenschlüssel hingen ordnungsgemäß neben der Treppe, es konnte also losgehen.
Und dann kam die Katastrophe! Ich suchte den Schalthebel, fand keinen, suchte die Lenkradschaltung, fand keine, entdeckte statt dessen einen spazierstockartigen Hebel, der aus dem Armaturenbrett ragte. Das Auto war ein Renault und hatte die neue und mir völlig unbekannte Krückstockschaltung! Aus der Traum! »Mit dem Ding komme ich nicht zurecht, ich habe keine Ahnung, wo die Gänge liegen«, erklärte ich Wenzel-Berta.
Die sah mich erstaunt an. »Warum nich?«
Während ich ihr die verschiedenen Schaltungssysteme zu erklären versuchte, kramte sie im Handschuhfach, zog schließlich ein mehrseitiges Heft heraus. »Ich hab' doch gewußt, daß da so was ist, der Eugen schmeißt nie was weg! Hier steht alles drin.«
Gemeinsam studierten wir die bildlich dargestellten Schaltstufen. Erster Gang: Hebel nach links und dann reinschieben. Zweiter Gang: Hebel herausziehen und links heranziehen. Dritter Gang: Hebel nach rechts, ganz hineinschieben und so weiter. Schien ja gar nicht so schwer zu sein, aber trotzdem… »Nein, hat keinen Zweck, so schnell kann ich mir das nicht einprägen.«
Wenzel-Berta hatte eine Idee: »Sie sagen mir immer, was Sie brauchen, und ich sage Ihnen, wie das geht!«
Das hieß, ich würde ihr angeben, welchen Gang ich einlegen will, und sie würde mir die Schaltbewegungen sagen.
Also gut, probierten wir's. Wenzel-Berta putzte noch einmal ihre Brille und kommandierte: »Nu erst mal rückwärts raus hier. Hebel links und dann ganz nach draußen!« Ich tat wie befohlen, das Auto setzte sich in Bewegung und fuhr brav zurück. Jetzt bremsen, Lenkrad einschlagen, ersten Gang rein. »Wie geht der erste Gang?« – »Hebel rausziehen und nach links ran.«
Das Auto hopste mit einem Satz vorwärts und blieb stehen.
»Das hat nicht gestimmt, zeigen Sie mal her.« Ich besah mir die Schalttafel und stellte fest, daß ich eben den zweiten Gang erwischt hatte. Also noch mal von vorne, Hebel
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