Mit Fünfen ist man kinderreich
ihres Bruders los. Mittags kam sie genauso begeistert wieder nach Hause. Die dazwischenliegenden Stunden sind mir nur mündlich überliefert.
Danach hatte sich Stefanie während der Mathestunde noch relativ ruhig mit ihrer Zeichnung beschäftigt, den Biologieunterricht (man nahm den Hund durch) mit wortreichen Schilderungen von Svens Hamsterzucht angereichert, und in der dritten Stunde hatte sie es schließlich geschafft, die gesamte Klasse auf ihre Seite zu bringen, indem sie erklärte: »Nun wollen wir aber endlich mal ein bißchen spielen!« Herr Dankwart resignierte, der restliche Unterricht stand unter dem Thema: Ich sehe was, was du nicht siehst. Die letzten beiden Stunden verbrachte Steffi in der Obhut von Fräulein Priesnitz, wo sie Buchstaben malte und das Gefühl hatte, wirklich etwas zu lernen.
Am nächsten Tag wollte sie wieder zur Schule.
Immerhin bestand sie den amtlichen Test, obwohl ›wir ganz was anderes gemacht haben, als Sascha gesagt hat‹, und zählte die Tage bis zur offiziellen Einschulung. Ihren Vater informierte sie dahingehend, daß als Reisemitbringsel nicht mehr Plastiktierchen erwünscht seien oder Süßigkeiten, sondern Wachsmalkreiden, Lineal und Heftordner. Als Stefanie dann endlich zum ersten Mal in die Schule marschierte, schleppte sie eine Ausrüstung mit sich herum, die für einen Gymnasiasten der Mittelstufe völlig genügt hätte. Übrigens legte sich später ihr Enthusiasmus ziemlich schnell wieder, und ich glaube, ihr vermeintlicher Wissensdurst entsprang wohl doch mehr dem Wunsch nach einer Schultüte und dem mit Beginn des Schuleintritts fälligen Taschengeld.
Außerdem wollte sie eine Uhr haben, ›aber eine richtige!‹ Ich lehnte das ab und erklärte meiner Tochter, was ein Angeber ist. »Jemand, der eine Armbanduhr trägt und sie nicht ablesen kann, gibt bloß an!«
Steffi sah das ein. Sie klemmte sich hinter Sven, der geduldig mit ihr übte und das schaffte, was ich seit einem Jahr vergeblich versucht hatte. Als Anschauungsobjekt benutzte er seinen Wecker. Nach vier Tagen war der zwar kaputt, aber Steffi machte Fortschritte. Und als sie mir auf Befragen mitteilte, jetzt sei es ›zwei Minuten vor fünf Minuten vor halb sieben‹, bekam sie ihre Uhr. Zu Weihnachten war die zweite fällig, weil die erste auf rätselhafte Weise verschwunden war.
Mein Geburtstag ist im Mai, also zu einer Jahreszeit, in der die meisten Gärten schon in üppiger Blüte stehen. Das monatliche Taschengeld meiner Söhne stand damals in keinem Verhältnis zu ihrem Bedarf an Kaugummi, Comic-Heften und ähnlichen lebenswichtigen Konsumartikeln, und so pflegten die Knaben den ihrer Meinung nach unerläßlichen Geburtstagsstrauß jedesmal irgendwo gratis zu besorgen. Vom erzieherischen Standpunkt lehne ich diese Methode selbstverständlich ab. Andererseits hatte ich selbst früher als mittellose Schülerin die traditionellen Muttertagsblümchen auf ähnliche Weise beschafft!
Nun erfordert mein zwangsläufig jedes Jahr wiederkehrender Geburtstag ohnehin ein Höchstmaß an Toleranz, und ganz besonders schlimm wird es, wenn auf dasselbe Datum auch noch der Muttertag fällt. Diese geballte Ladung von ungewohnter Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft seitens der Familie ist schwer zu ertragen. Und wenn einem der taktvolle Nachwuchs auch noch mitteilt, daß man mit 36 doch eigentlich schon ziemlich alt sei, wirkt diese Feststellung auch nicht gerade stimmungsfördernd.
Jedenfalls begann mein Geburtstag in jenem Jahr mit einem schrillen Weckergebimmel um sieben Uhr. Und das am Sonntag! Mein Gatte erhob sich knurrend, erklärte mir aber, ich solle noch weiterschlafen, da ich heute sämtlicher Pflichten entbunden sei.
Nun ist das mit dem Schlafen nicht so ganz einfach, wenn im Haus vier Elefanten herumstampfen und offenbar im Begriff sind, das sprichwörtliche Porzellan zu zerschlagen. Nach einer Stunde lautstarken Wirkens öffnete sich schließlich die Schlafzimmertür, und herein marschierten wie die Orgelpfeifen sechs Personen in den verschiedenen Stadien der seelischen Auflösung. Vorneweg die Zwillinge, die abrupt stoppten, als sie ihre Mutter im Bett erblickten. Diese Situation kannten sie nicht, also vorsichtiger Rückzug. Zusammenstoß mit der nachfolgenden Truppe, gelinde Panik. Erneute Formation, Weitermarsch. Die Zwillinge weigerten sich, ihre Maiglöckchensträußchen abzuliefern, umklammerten die Stengel wie Besenstiele, heulten. Steffi knallte ihre Freesien auf den Nachttisch und
Weitere Kostenlose Bücher