Mit Fünfen ist man kinderreich
Herr Weigand die Karten auf den Tisch. Er habe geschäftliche Schwierigkeiten und sei gezwungen, das Haus zu verkaufen. Offiziell firmierte er als Malermeister, betrieb aber nebenher noch eine Versicherungsagentur; handelte mit Altmetall und verkaufte marokkanische Lederwaren. Welches seiner Unternehmen das finanzielle Desaster verursacht hatte, weiß ich nicht mehr, aber offenbar standen alle auf wackligen Füßen. Interessenten für das Haus gäbe es bereits, allerdings hätten alle den Wunsch geäußert, es auch zu bewohnen. Wenn wir uns bereitfinden könnten, den auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag vorzeitig zu lösen, dann sei er, Herr Weigand, gewillt, die Umzugskosten zu tragen.
Da hatten wir uns doch schon so manches Mal den Kopf zerbrochen, wie wir halbwegs ungerupft aus unserem Vertrag herauskommen könnten, und nun wollte man uns den Vertragsbruch sogar noch honorieren!
Rolf schaltete sofort! Er setzte eine ernsthafte Miene auf, bekundete äußerste Bedenken ob der Zumutung eines baldigen Wohnungswechsels und erbat Bedenkzeit.
Wir hatten den Jungs gegenüber schon mehrmals angedeutet, daß eine Rückkehr in die Zivilisation vielleicht doch wünschenswert sei, und die Knaben hatten dem zugestimmt. Sven hatte schon seit längerem das Fehlen jeglicher kultureller Einrichtungen bemängelt, worunter er hauptsächlich ein Kino verstand, und Sascha kannte inzwischen sämtliche Winkel Heidenbergs und alle 211 Einwohner. Es gab also nichts Neues mehr zu entdecken. Mit einem Umzug war er sofort einverstanden.
Blieb noch Steffi, die mit dem halben Dorf befreundet war und so ziemlich jede Kuh mit Namen kannte.
»Gibt es da, wo wir hinziehen, eine Schule?«
»Aber selbstverständlich, sogar eine ganz große!« beruhigte ich sie.
»Dann ist es mir egal, ob wir hierbleiben oder nicht. Mit Rita habe ich mich heute sowieso verkracht!«
Abends brüteten wir über dem Autoatlas und suchten unter Zuhilfenahme eines Zirkels den geographisch günstigsten Ausgangspunkt für Rolfs Reiserouten. Wir ermittelten eine Stadt namens Neckarsulm. Soviel mir bekannt war, gab es dort aber ein Automobilwerk, und vermutlich nicht nur das. Ein Industriegebiet schwebte mir als künftiges Zuhause nun nicht gerade vor, wenn ich auch zugeben mußte, daß der Ort verkehrsgünstig lag. Ich stach den Zirkel also in das Zentrum von Neckarsulm und schlug einen Kreis. In der Realität entsprach der Radius einem Umkreis von etwa 25 km Luftlinie. So viel Spielraum hatte Rolf bewilligt. Jetzt sah die Sache schon anders aus! Innerhalb des Kreises befanden sich zwei Ortschaften, die vor ihrem Namen die Bezeichnung Bad trugen. Damit verband ich die Vorstellung von Grünanlagen, Kurkonzert und Badeärzten, die hoffentlich auch Masern und Keuchhusten kurieren würden. Warum sollten wir also zur Abwechslung nicht mal in einem Kurort wohnen?
Rolf informierte zwei Makler über seine diesbezüglichen Wünsche und brachte stapelweise regionale Tageszeitungen mit nach Hause, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Uns interessierte ohnehin nur der Anzeigenteil, und davon lediglich der Wohnungsmarkt. Neben Obstgärten mit altem Baumbestand und Komf. App. m. 2 Z. sow. Kn. u. D. m. Bk. fanden wir unter der Rubrik ›Vermietungen‹ überwiegend wetterfeste Scheunen oder Garagen mit angrenzender Werkstatt. Für die offerierten Wohnungen kamen unter Berücksichtigung der angegebenen Quadratmeterzahlen lediglich Rentnerehepaare oder alleinstehende Damen mit Dackel in Betracht.
Auch die Makler versuchten, ihr Erfolgshonorar zu verdienen. Sie schickten laufend verlockende Angebote. Abgesehen davon, daß die Objekte überall dort standen, wo wir nicht hinziehen wollten, schien man Rolf für ein Aufsichtsratsmitglied des Flick-Konzerns anzusehen, das ohne weiteres eine vierstellige Mietsumme hinblättern könnte.
Und dann entdeckte ich in einer der regionalen Zeitungen ein Inserat, das recht vielversprechend klang.
Da wurde in einem Kurort ein freistehendes, geräumiges Einfamilienhaus mit großem Garten angeboten. Besonders beeindruckte mich der Zusatz: Geeignet für Familien mit Kindern. So etwas hatte ich noch niemals gelesen!
Ich hängte mich sofort ans Telefon. Es meldete sich eine Maklerfirma, und zwar eine der beiden, die bisher vergebens nach einer passenden Behausung für uns gefahndet hatten. Man versicherte mir sehr wortreich, daß man uns über das betreffende Haus in den nächsten Tagen selbstverständlich auch unterrichtet hätte, und ob wir
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