Mit Haut und Haar (German Edition)
Ihnen ein schönes Foto, möglichst professionell, sodass man es als Pressefoto verwenden kann und eine kurze Vita. Kriegen Sie das in den nächsten vier Wochen hin?«
»Natürlich«, sagte Clarissa.
»Fein. Wenn wir das alles haben, bereiten wir eine Ausstellung vor. Das heißt, wir fertigen Schilder an für die Bilder, wir rahmen sie und hängen sie auf. Ich werde ein paar Presseleute informieren und Einladungen an meine Stammkundschaft rausschicken. Und dann sehen wir weiter.«
»Und Sie glauben tatsächlich, es könnte sich jemand für diese Bilder interessieren?«
Patrizia lächelte, sie wirkte ein wenig spöttisch.
»Wissen Sie Clarissa, ich habe nur eine kleine Galerie, aber ich bin vorerst damit zufrieden. Und Sie glauben nicht, wie viele Künstler mir die Tür einrennen, auch wenn sie klein ist und lange nicht so gut besucht wie die großen Galerien hier in Frankfurt.«
Sie drückte ihre Zigarette aus und steckte die Zigarettenspitze wieder in ein Fach in ihrer Handtasche.
»Und wenn wir mit Ihren Bildern auf Interesse stoßen besteht auch die Möglichkeit, sie mit in meinen Onlineshop aufzunehmen.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich Sie mit meinen Hausfrauenmalereien so derart beeindrucken könnte.«
Patrizia lachte.
»Wissen Sie, zu mir kommen Leute mit Bildern die mich fast schon an die ersten Kunstwerke eines Zweijährigen erinnern könnten und das sind gerade die Künstler, die sich für unglaublich genial halten. Mit diesen Menschen kann man auch nicht diskutieren, wenn man ihnen sagt, dass ihr Bild schlecht ist, sind sie total beleidigt und man muss noch mit platt gestochenen Reifen rechnen. Und dann gibt es wieder Menschen wie Sie, und das fasziniert mich so sehr.«
»Was?« fragte Clarissa erstaunt.
»Menschen wie Sie, Menschen die einfach nur malen, weil sie malen möchten. Menschen wie Sie, die einfach Freude an dem haben was sie tun. Die in der Lage sind, ihren Werken Emotionen innewohnen zu lassen. Emotionen, die so vielen Menschen fehlen, die sich für die größten Künstler halten. Menschen wie Sie, die so großartige Bilder malen, einfach nur für sich selbst und diese in einem Raum im Haus verstecken und sie nur guten Freunden zeigen. Und das auch immer mit einem Hauch von Zweifel an der eigenen Kunst.«
Sie lachte erneut. Ein heiteres, unbeschwertes Lachen, das Clarissa ausnehmend sympathisch fand.
»Clarissa, glauben Sie mir, ich habe Kunst studiert und mir diese Galerie aufgebaut. Ich selbst male nicht, ich fotografiere lieber. Aber ich liebe die Kunst von anderen Menschen, solange es Kunst ist. Ihre Bilder sind Kunst, und wissen Sie warum?«
Clarissa schüttelte den Kopf.
»Weil sie etwas ansprechen. Irgendetwas. Wahrscheinlich empfindet auch jeder Mensch das etwas anders, aber sie haben eine Aussage, die man nur in sich selbst finden kann, wenn man die Bilder betrachtet. Ich sehe in diesen Bildern Trauer und Sehnsucht. Aber auch Hoffnung in dem einen oder anderen. Und vielleicht interpretiere ich auch nur zu viel hinein, weil sie mich wirklich angesprochen haben. Ich neige dazu, zu viel zu interpretieren.«
Sie lachte wieder.
»Was auch immer es ist, man merkt, dass diese Bilder unter dem Einfluss mächtiger Emotionen entstanden sind und das ist immer gut.«
Clarissa lächelte ein wenig betrübt. Ihr gefiel der Gedanke gar nicht, dass andere Menschen ihre Trauer und ihre Ängste in ihren Bildern erkennen konnten, aber nun war es zu spät. Sie hatte irgendwie zugesagt, zumindest hatte sie nicht nein gesagt. Natürlich könnte sie es sich noch anders überlegen. Andererseits, wann in ihrem Leben würde sie wieder einmal eine solche Chance erhalten? Wahrscheinlich nie wieder. Schließlich ging sie nicht hausieren mit ihrer Kunst. Patrizia erhob sich, drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand und lief Richtung Tür.
»Ich muss jetzt leider gehen«, sagte sie. »Ich habe noch einen Termin. Aber wenn Sie so weit sind, rufen Sie mich an und dann schauen wir mal, wann wir ausstellen können.«
Daniel staunte nicht schlecht, als er am Abend nach Hause kam und sich im Kreis seiner Familie zum Essen niederließ. Es gab die Frikadellen vom Mittag mit Gemüse und Kartoffeln.
»Mama wird jetzt reich«, erklärte Damian großspurig.
»Ach ja?« fragte Daniel lächelnd. »Wie darf ich das verstehen?«
»Du weißt doch, dass Anja neulich abends meinte, meine Bilder wären so gut und sie würde da jemanden kennen?«
»Stimmt. Sie hat von einer Patrizia gesprochen.
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