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Mit Haut und Haaren

Mit Haut und Haaren

Titel: Mit Haut und Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnon Grünberg
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einem Best Western Hotel, was einige seiner Kollegen stark
an ihm zweifeln lässt. An seinem gesunden Menschenverstand. Doch das ist nur freundschaftliches Gefrotzel, das im Kollegium, an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zumindest, gang
und gäbe ist.
    Ein Apartment wäre natürlich billiger, und er hätte auch Zeit gehabt,
eines zu suchen, doch hatte er einfach keine Lust.
    »Das ist ein Best Western, nicht das Best Western«,
hatte ein Kollege bemerkt, als er Roland Oberstein einmal vor seinem Hotel absetzte.
    Nicht das Best Western, nein, aber für ihn
gut genug. Vielleicht hatte er die Pointe nicht verstanden, oder vielleicht war
es auch kein Witz.
    Am Wochenende fährt er immer nach New York, wo er ein kleines möbliertes
Apartment gemietet hat, an der Upper West Side, von einer Dame, die die Wohnung
über sich ursprünglich für ihren Sohn gedacht hatte, der aber nach Singapur versetzt
worden war.
    Die ersten Wochen in Fairfax hatten ihn entgegen aller Erwartungen deprimiert.
Eine Schlafstadt. Wo die Studenten sich abends herumtrieben, wusste niemand. Auf
dem Campus, vermutete er. Doch danach zu fragen schien ihm keine gute Idee.
    Abends las und arbeitete er auf seinem Hotelzimmer, das alles zu bieten
hatte, was ein Hotelzimmer ausmacht. Ein Bad, ein Bett, einen Schreibtisch, einen
Bürostuhl, einen Schrank.
    Er hatte gehofft, dass der Mangel an Zerstreuung
seine [179]  Forschung vorantreiben würde und er nun endlich sein Buch über die Geschichte
der Blasenbildung abschließen könnte. Doch nach circa drei Monaten merkte er, dass
auch ein schlichtes Hotelzimmer seine Versuchungen hat. Immer früher legte er sich
abends in die Wanne und blieb immer länger darin liegen. Er war gezwungen, die Bodylotion
zu benutzen, die ein Zimmermädchen jeden Morgen in einem kleinen Fläschchen auf
den Waschbeckenrand stellte, so sehr trocknete das Wasser seine Haut aus.
    Er las in der Wanne, doch manchmal fielen
ihm die Augen zu, dann legte er die Zeitschrift oder
das Buch beiseite und gönnte sich ein Schläfchen.
    Eine Zeitlang suchte er, wenn auch nicht gerade mit Hochdruck, eine Wohnung
im nahe gelegenen Washington, bis es ihm schließlich besser erschien, die Wochenenden
in New York zu verbringen und unter der Woche im Best Western zu bleiben. Nach zähen
Verhandlungen mit dem Hotelmanagement hatte er 25 % Skonto auf den Zimmerpreis herausschlagen
können und 5 % auf das Frühstück, obwohl das ohnehin wenig taugte. Dünner Kaffee, trockene Muffins, altes Brot,
das man selbst toasten konnte – wenn der Toaster funktionierte zumindest. Vielleicht
wäre ein Apartment auch jetzt noch billiger gewesen, doch diese Lösung war komfortabler.
Er lebte wie ein Student, oder besser gesagt: wie jemand, der ständig mit seiner
Ausweisung rechnet. In Fairfax hatte er sich freiwillig ins Exil begeben. Ein Unistandort
in Gestalt einer Vorstadt. In der Nähe von Washington D.C. und doch am Ende der Welt. Im Frühling, im Sommer und im Herbst machte die Hügellandschaft einen freundlichen Eindruck, zumindest [180]  an sonnigen Tagen.
Allmählich hatte er sich an seine neuen Kollegen gewöhnt, an die Weite, die Stille,
seine nur langsam vorangehende Forschung, das Best Western. Ohne dass es viel Anlass
dazu gegeben hätte, war er hier zufrieden. Für jemanden, der wusste, dass man sich
nur wünschen darf, was man bekommen kann, war die Umgebung hier wie geschaffen. Ein Exil, zumal ein selbstgewähltes, durfte man nicht
romantisieren. Und doch: Wenn das Leben eine Vorbereitung auf den Tod sein sollte,
war ein Aufenthalt in Fairfax geradezu ideal.
    An den Wochenenden hatte er New York, wo er ab und zu ins Theater ging
oder ins Kino und in der Wohnung seiner freundlichen, aber etwas aufdringlichen
Vermieterin seine Arbeit fortsetzte. Manchmal störte sie ihn und kam auf ein Schwätzchen
herein. Das Alter habe sie einsam gemacht, erklärte sie, doch Oberstein hatte die
stille Vermutung, dass sie eigentlich schon immer einsam gewesen war und nur eine
bequeme Entschuldigung suchte.
    Die Orange Line fährt das letzte Stück über der Erde. Oberstein sieht,
dass Violet ihm eine Nachricht geschickt hat. Die Mitteilung »Schläfst du schon? XX « ist kein Grund, sofort zurückzurufen, aber vielleicht
wäre es trotzdem nett.
    Er möchte immer gern nett sein, wie er auch seinen Studenten gegenüber
seine Pflicht nicht gern versäumt. Ohne sich dabei Gewalt
anzutun, strebt er danach, ein angenehmer Zeitgenosse zu sein.
    Kurz muss er

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