Mit Herz und Skalpell
ist es mit dir?«
Wie schaffte es Alexandra nur immer, so schnell umzuschalten und das Thema zu wechseln, sobald das Gespräch persönlich wurde? »Ich habe keine Haustiere, wenn du das meinst«, erklärte Linda.
»Hättest du denn gern welche?«
Linda zuckte mit den Schultern. »Darüber habe ich noch nie ernsthaft nachgedacht.« Das war die Wahrheit. Lindas Eltern waren immer strikt gegen Haustiere gewesen; sie hatten Lindas Quengeln in der Kindheit nicht nachgegeben, und irgendwann hatte sich das Thema für Linda erledigt. Sie hatte sich nie gefragt, ob sie dadurch etwas vermisste.
Sie überquerten eine Straße.
»Da vorn ist es schon.« Alexandra zeigte auf ein schon von außen sehr nobel wirkendes Restaurant. Eine Gruppe Anzugträger stand vor dem Eingang und rauchte.
An der Tür wurden sie von der Pharmareferentin empfangen, die Alexandra eingeladen hatte. Ihre grellrot geschminkten Lippen lächelten übertrieben freundlich, als sie sie begrüßte: »Schön, dass Sie und Ihre Begleitung kommen konnten. Herzlich willkommen. Kommen Sie herein und suchen Sie sich einen Platz.«
Drinnen waren die Tische zu Gruppen zusammengestellt, die jeweils etwa zehn Personen Platz boten. Die Gedecke waren imposant mit Unmengen an Besteck und Gläsern. Hier und da hatte sich schon jemand gesetzt.
Alexandra führte Linda an einen leeren Tisch. Sie zog einen Stuhl galant zurück: »Bitte setz dich.«
Linda folgte der Aufforderung. Sie versuchte die Gabeln, die zu ihrem Gedeck gehörten, zu sortieren. Von außen nach innen, rief sie sich in Erinnerung.
Alexandra nahm den Platz neben ihr ein und sagte leise: »Hoffentlich wird es nicht allzu trocken.«
»Ein Gläschen Sekt, die Damen?«, wurde sie von einem Kellner in schwarzem Anzug unterbrochen, der ein Tablett mit Sektgläsern an ihren Tisch balancierte. Als Alexandra und Linda dankend zustimmten, stellte er zwei gut gefüllte Gläser vor ihnen ab. Verdursten würden sie also schon einmal nicht.
Alexandra hob ihr Glas. »Auf einen schönen Abend – und auf deine gelungene Präsentation.«
Linda prostete Alexandra ebenfalls zu und nippte an ihrem Sekt. Er perlte angenehm auf der Zunge. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie den ganzen Tag über fast nichts gegessen hatte.
»Gefällt es dir denn bisher in München?«, erkundigte sich Alexandra.
»Viel von München habe ich leider noch nicht gesehen«, sagte Linda bedauernd. Sie stellte ihr Glas wieder vor sich auf den Tisch: Wenn sie mit leerem Magen zu schnell trank, würde der Alkohol ihr rasant zu Kopf steigen. Was das für Folgen haben konnte, wollte sie sich lieber gar nicht erst ausmalen.
»Vielleicht finden wir morgen etwas Zeit, dann könnte ich dir ein bisschen was von München zeigen.« Alexandras Blick suchte Lindas und blieb daran hängen. Sie sahen sich tief in die Augen.
Viel zu tief . . .
Linda musste sich fast gewaltsam losreißen. In ihr schienen Flammen zu lodern. Sie fächelte sich Luft zu.
»Die Luft hier drin ist wirklich nicht die beste«, meinte Alexandra mit hochgezogener Augenbraue.
Linda kam nicht dazu, sich zu fragen, ob Alexandra tatsächlich nur die Raumtemperatur wahrnahm und sonst nichts, denn mittlerweile hatten sich alle Tische gefüllt, und sie musste ihren Tischnachbarn die angemessene Höflichkeit zollen. Außer ihnen saßen nur Männer in ihrer Runde.
Zwei Tische entfernt baute sich ein älterer Mann neben einer Leinwand auf.
Alexandra beugte sich zu Linda. Ihre langen Haare, die sie offen trug, kitzelten Lindas Wange. »Jetzt müssen wir uns gleich bestimmt noch einen Vortrag anhören, damit die ganze Veranstaltung als Arbeitsessen deklariert werden kann«, flüsterte sie ihr ins Ohr.
Und sie sollte recht behalten. Nach einer kurzen Begrüßung hielt ein angesehener Chirurg aus Hannover einen kurzen Vortrag zu innovativen neuen Therapien, bei denen seltsamerweise das Medikament der Pharmafirma, die das Essen sponserte, einen nicht unerheblichen Anteil hatte.
Linda bekam jedoch von dem Vortrag kaum etwas mit. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, Alexandras berauschende Nähe zu ignorieren. Doch mit jedem Atemzug nahm sie erneut ihren Duft in sich auf, bei jeder Bewegung stießen ihre Beine unterm Tisch zusammen oder berührten sich ganz zufällig ihre Fingerspitzen. Das machte es Linda unmöglich, ihren Atem zu kontrollieren. Ihr Herz schlug bei jeder Berührung einen Salto, und in ihrem Magen flimmerte es.
Mechanisch applaudierte sie mit allen anderen, als der
Weitere Kostenlose Bücher