Mit jedem Herzschlag (German Edition)
Stimme aber natürlich trotzdem.
Ich weiß wirklich nicht gerade viel über dich, nicht wahr?
Nein.
Nein, wahrhaftig nicht. Sie kam sich vor wie eine Vollidiotin. Als sie aufblickte, stellte sie fest, dass der rothaarige Kleine sie beobachtete. Sie bildete sich ein, Verachtung und Ekel in seinem Blick zu erkennen.
Carrie bemerkte nun, wie Grünauge leise antwortete. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die beiden, die am anderen Ende des Zimmers ihren ganz persönlichen Friedensgipfel abzuhalten schienen.
Berührte er ihr Gesicht? Lag seine Hand noch auf ihrer Schulter, oder streichelte er ihr besänftigend den Arm? Beugte sie sich etwa vor, um ihn zu küssen?
Carrie konnte nicht anders. Sie musste zu Felipe hinüberschauen. Kaum hatte sie das getan, wünschte sie sich jedoch verzweifelt, dass sie es gelassen hätte. Denn Felipe berührte die rothaarige Frau tatsächlich. Er strich ihr sanft das Haar aus der Stirn. Carrie zog sich das Herz schmerzhaft zusammen, als sie sich daran erinnerte, dass er sie erst vor Stunden ganz genauso berührt hatte.
Wie konnte er nur? Wie konnte er bloß mit ihr schlafen, während in diesem kleinen Haus seine Frau und sein Kind darauf warteten, dass er heimkam?
Felipe blickte auf und ertappte sie dabei, wie sie zu ihnen hinüberstarrte. Carrie wandte sich hastig ab. Sie wusste, dass ihre Augen verrieten, wie verletzt und eifersüchtig sie war.
„In Ordnung“, meinte Grünauge, ging zum Sofa und nahm neben ihrem Jungen Platz. „Wie wär’s, wenn du uns deiner Freundin endlich vorstellst?“
„Caroline“, sagte Felipe und trat an die Couch, „darf ich vorstellen: Jewel und Billy.“ Er setzte sich nicht, sondern blieb neben den beiden stehen.
Was für ein schönes Familienbild. In Carries Kopf drehte sich alles.
Sie suchte im Gesicht des Jungen nach Felipes Zügen, nach Ähnlichkeiten zwischen dem Kind und seinem Vater. Aber sie fand keine. Die roten Haare, die grünen Augen, die Sommersprossen – das alles hatte der Kleine von seiner Mutter. Die Nase wies ebenso wie sein Kinn und sein Mund mit beiden keinerlei Ähnlichkeit auf.
„Daddy, ich habe dich in den Nachrichten gesehen“, sagte Billy, und er wirkte plötzlich verängstigt und nervös. „Sie sagen, du bist böse.“
„Billy, still“, flüsterte Grünauge – Jewel. Der Name passte zu ihr.
„Nein, das ist schon in Ordnung“, wehrte Felipe ab. Er kniete sich vor den Jungen. „Du bist bestimmt sehr erschrocken, hmm?“
Billy nickte.
„Es stimmt nicht“, fuhr Felipe fort. „All der Blödsinn, den sie im Fernsehen und in den Zeitungen behaupten, stimmt nicht. Da hat jemand einen Fehler gemacht. Man schiebt mir die Schuld für etwas in die Schuhe, das ich nicht getan habe.“
„Du hast diese Männer nicht umgebracht?“, fragte der Junge.
„Nein, habe ich nicht. Und du weißt, dass ich dich niemals anlüge.“
„Ich weiß.“ Billy presste die Lippen fest zusammen und schaute auf seine Hände.
„Ich bringe das alles wieder in Ordnung“, erklärte Felipe. „Mach dir keine Sorgen.“
„Okay“, stimmte der Junge widerwillig zu.
„Geht’s dir jetzt wieder besser?“
Billy schüttelte den Kopf.
Carrie schnürte es die Kehle zu. Felipe war so lieb zu dem Kind, redete ihm so gut zu, tröstete es. Es fiel ihr nicht schwer, sich vorzustellen, wie er auf dieselbe Weise mit ihr redete. Bei ihr hätte er allerdings auch nicht viel mehr Erfolg damit.
„Es tut mir leid“, murmelte Felipe und zog den Jungen in seine Arme. „Ich wünschte, ich könnte einfach mit einem Zauberstab wedeln und alles ungeschehen machen. Aber das kann ich nicht. Ich brauche Zeit. Kannst du mir ein bisschen Zeit lassen, Billy? Vielleicht noch eine Woche?“
Billy nickte, den Tränen nah. Er befreite sich aus Felipes Umarmung und rannte aus dem Zimmer.
Als Felipe ihm nachgehen wollte, hielt Jewel ihn zurück und meinte: „Lass ihn. Er weint nicht gern vor anderen. Er ist ja schließlich ein großer Junge, fast sieben. Er hat so schon genug Sorgen. Erspar ihm wenigstens diese Peinlichkeit.“
Felipe sah so aus, als wollte er selbst gleich in Tränen ausbrechen. „Es tut mir leid“, sagte er zu Jewel.
„Gegen wen du da auch ermittelst“, gab sie zurück, „du hast ihm ordentlich Angst eingejagt, hmm?“
„Ja.“ Er lachte kurz und humorlos auf. „Wir haben dafür gesorgt, dass sie vor Angst schlottern. Nicht wahr, Caroline?“
Sie antwortete nicht. Was sollte sie auch sagen? Im Grunde wollte sie nur
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