Mit Schimpf und Schande
plötzliche Eindringen der Menschen in ihren Lebensraum anpaßten, und die Siedler hatten ganz gewiß genügend andere Sorgen. Das änderte sich allerdings, als sie die ersten Treibhäuser errichtet hatten und begannen, noch etwas anderes als Grundnahrungspflanzen anzubauen. Meiner persönlichen Meinung nach hatten die ‘Katzen die ganze Zeit über Aufklärungsvorstöße zu den Gehöften unternommen – und glauben Sie mir, wenn eine ‘Katz in der Wildnis nicht gesehen werden will, dann wird sie auch nicht gesehen. Keiner der Kolonisten hätte je erwartet, Treibhäuser abschließen zu müssen. Das änderte sich allerdings, als plötzlich eine Sellerieknolle nach der anderen still und leise über Nacht verschwand.«
»Sie machen sich doch wohl über mich lustig?« fragte Neufsteiler lachend. »Sie haben das Zeug geklaut?«
Honor nickte. »Unbestritten – wenn ich auch nicht glaube, daß die ‘Katzen es als Diebstahl betrachteten. Baumkatzen ist das Konzept persönlichen Besitzes an sich fremd. Es hat mich Jahre gekostet, Nimitz diese Vorstellung beizubringen, und noch immer hält er es für eine der absonderlicheren Eigenarten der Menschheit. Aber das Große Geheimnis des Verschwundenen Selleries bedeutete eine Sensation, das kann ich Ihnen sagen! Sie würden nicht für möglich halten, mit welchen Theorien einige Siedler aufwarteten, um das spurlose Verschwinden dieser und nur dieser Pflanzenart zu erklären. Nicht einer ist der Wahrheit auch nur annähernd nahe gekommen. Können Sie sich etwas Unwahrscheinlicheres – oder im Grunde Lächerlicheres – vorstellen als eine Horde außerirdischer fleischfressender Baumbewohner, die mitten in der Nacht Kommandounternehmen gegen Treibhäuser durchführen, nur um Sellerie zu stehlen?«
»Nein, ich glaube kaum.« Aus Ramirez’ Stimme klang Amüsiertheit. Nimitz brachte zum Ausdruck, daß er diese Belustigung ignoriere, und Hibson lachte auf.
»Ich glaube, nicht einmal ein Marine könnte sich so etwas ausdenken, Ma’am«, stimmte sie zu.
»Und auch kein Sphinxianer … und dann kam die Nacht, in der ein zehnjähriges Mädchen nicht schlafen konnte und eine der ‘Katzen auf frischer Tat ertappte.«
»Aha. Und dann hat sie die Baumkatzen verpfiffen?« lachte Neufsteiler, doch Honor schüttelte den Kopf.
»Von wegen. Sie hat niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen davon gesagt.«
»Wie haben die Siedler denn dann herausgefunden, was vor sich ging?« wollte Paul wissen.
»Oh, das ist eine ganz andere Geschichte. Wenn du richtig nett zu mir bist, erzähle ich sie dir vielleicht eines Tages.«
»Pah! Ich wette, du kennst den Rest überhaupt nicht!«
»Netter Versuch, Paul, aber so leicht kriegst du sie nicht aus mir heraus. Aber eins werde ich dir noch verraten.«
Sie verstummte, und ihre Augen funkelten vergnügt, als er sie ärgerlich ansah. Aber sie kannte seine Neugierde nur zu gut, und seufzend kapitulierte er.
»Also schön, ich frage: Was willst du mir noch verraten?«
»Vielleicht etwas über dieses kleine Mädchen?« Honor hob fragend die Augenbrauen, und er nickte. »Ihr Nachname war Harrington«, offenbarte sie ihm gnädig. »Man könnte sagen, daß die ‘Katzen uns im Blut liegen.«
»Man könnte auch sagen, daß der fragwürdige Sinn für Humor, den ihre heute lebende Nachfahrin besitzt, ihr irgendwann ein böses Ende verschafft, wenn sie nicht endlich mit der Wahrheit herausrückt.«
»Das werden wir ja sehen. Vielleicht fällt dir irgend etwas ein, womit du mich bestechen könntest.«
»Ja, vielleicht könnte ich das tatsächlich«, antwortete er mit so viel gespielter Niedertracht, daß Honor errötete.
»Sie wollen es uns nun wirklich nicht erzählen, sehe ich das richtig?« fragte Neufsteiler. Weder er noch die beiden Marines schienen Honors Erröten bemerkt zu haben, und mit einem dankbaren und ein wenig verschmitzten Lächeln auf den Prisenagenten schüttelte Honor den Kopf. »Dann sollte ich Ihnen vielleicht auch nicht erzählen, weshalb ich Sie sprechen wollte.«
»Nun, wir beide stehen in einem treuhänderischen Verhältnis zueinander. Im Gegensatz zu Ihnen kann ich klagen.«
»Und das würden Sie wahrscheinlich auch tun.« Neufsteiler schüttelte den Kopf über solche Perfidie, grinste dann aber und zog ein kleines Bündel Ausdrucke hervor. »Sehen Sie sich das mal an«, forderte er Honor auf und hob es über den Tisch zu ihr.
Honor entfaltete die Blätter und ließ den Blick über die sauberen Zahlenreihen schweifen … und
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