Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1
die ich seit Jahren nicht mehr bei ihm erlebt hatte.
Nun war es an mir, die angebotene Hand zu schütteln, und ich stellte fest, daß sie warm und fest war. Erste Eindrücke täuschen. Sir Alexander stand beträchtlich weiter von seinem Grab entfernt, als sein Sohn uns hatte weismachen wollen.
»Würdest du es vorziehen, daß ich gehe, Vater«, sagte Peter Norwood, »während du mit unserem Besuch deine Angelegenheit besprichst?«
Der Baronet deutete mit einer Handbewegung seine Zustimmung an. »Wenn du nichts dagegen hast, mein Junge. Ich sehe dich beim Tee, wenn nicht vorher.«
Der junge Norwood deutete eine Verbeugung an, zwinkerte, während er seinem Vater den Rücken zugewandt hatte, und entschuldigte sich.
Als wir allein waren, kicherte Sir Alexander trocken. »Ich fürchte, Peter ist der Meinung, daß ich ein wenig spinne.«
Der ehemalige Spürhund hatte sich behutsam auf einen Stuhl niedergelassen und suchte nun in seiner Jackentasche nach Pfeife und Tabak. »Wie wäre es, wenn Sie uns alles von Anfang an berichten, eh?«
Der andere legte den Kopf schief und musterte ihn stirnrunzelnd; wahrscheinlich fiel ihm nun zum ersten Mal auf, wie alt mein Gefährte geworden war, seit sie sich zum letzten Mal begegnet waren. »Ich fürchte«, sagte er schließlich, »daß ich mich beträchtlich im Nachteil befinde. Zweifellos haben Sie sich schon gewisse Vorurteile gebildet.«
Um der Wahrheit Genüge zu tun, ich räusperte mich angesichts dieser Gesprächseröffnung. Ich hatte geistige Gebrechlichkeit erwartet, entdeckte jedoch keinerlei Anzeichen dafür. War es möglich, daß dieser Mann seinen Sohn zum Narren hielt?
Mein Gefährte, der das Streichholz an den Shag hielt, den er in die Pfeife gestopft hatte, zeigte sich erneut der Situation gewachsen, indem er sagte: »Ich halte mich für vorurteilslos, Sir Alexander, wie Sie es ja aus der Vergangenheit wissen müßten.«
Eine leichte Röte überzog das Gesicht des anderen. »Vergeben Sie mir, mein lieber Freund. Hätte es vor drei Jahrzehnten nicht Ihre Toleranz gegeben, wäre ich jetzt tot.« Er wandte einen Moment lang den Blick von uns ab, als suche er einen Punkt, wo er seine Erzählung beginnen könne.
»Ich nehme an, es gibt keinen Anfang«, sagte er schließlich. »Diese Angelegenheit hat während meines gesamten Lebens als Erwachsener Stück für Stück und Teil um Teil meine Aufmerksamkeit gewonnen. Doch erst in letzter Zeit habe ich ihr die Aufmerksamkeit gewidmet, die sie verdient.« Er zögerte einen Augenblick, dann sagte er zu mir: »Doktor, würden Sie mir bitte dieses Buch dort oben auf dem Stapel zu Ihrer Linken geben?«
Ich konnte das Buch ergreifen und ihm reichen, ohne mich vom Stuhl zu erheben.
»Beiden Herren ist H. Spencer Jones ein Begriff, nehme ich an«, sagte Sir Alexander.
»Natürlich, der Königliche Astronom«, erwiderte ich.
Der andere hob das Buch. »Sind Sie mit seinem Werk ›Leben auf anderen Welten‹ vertraut?«
»Leider nicht, eh«, sagte der alte Detektiv. Ich schüttelte den Kopf.
»Dann möchte ich Ihnen einen oder zwei Absätze vorlesen.« Unser Gastgeber blätterte das Buch schnell durch. »Hier zum Beispiel.«
Er las vor: »Da das Universum nach einem so gewaltigen Maßstab errichtet ist, scheint es äußerst unwahrscheinlich, daß nur auf unserer kleinen Erde Leben beheimatet sein kann.« Er überschlug ein paar Seiten. »Und hier… Die Annahme erscheint vernünftig, daß, wann immer im Universum die richtigen Bedingungen zustande kommen, aus ihnen unvermeidlich Leben hervorgehen muß. Diese Ansicht wird allgemein von den Biologen anerkannt.«
Er suchte nach weiteren Abschnitten.
»Schon gut«, sagte mein Freund pfeifend. »Ich akzeptiere Ihre Meinung, eh. Das heißt, ich akzeptiere die Möglichkeit. Die Möglichkeit, nicht die Wahrscheinlichkeit. Es könnte irgendwo im Universum andere Lebensformen geben.« Er lachte frohlockend. »Wenn ich es so ausdrücken darf, Sir Alexander, das Universum ist gewaltig.«
Ich mußte eingestehen, da der alte Heuchler sich selbst übertraf. Ich hatte damit gerechnet, daß er schon längst wieder eingeschlafen wäre.
Unser Gastgeber nickte zustimmend. »In der Tat. Doch geben Sie mir bitte diese Zeitschrift zu Ihrer Rechten dort, Doktor.«
Er nahm die Zeitschrift entgegen und blätterte in ihr. »Ah, hier. Das ist ein Artikel von einem jungen Deutschen, Willy Ley. Ein Bursche, der über das übliche Maß hinaus an den Aussichten der Menschheit, den Weltraum zu
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