Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
nicht immer möglich«, antwortet die Dame und klingt, als würde es ihr aufrichtig leidtun. »Wir empfehlen Passagieren immer, vorher anzurufen und ihren Flugverlauf zu prüfen.«
»Aber das war eine Reise, wie man sie nur einmal im Leben macht! Sie können gar nicht verstehen, wie wichtig das für meine Tochter ist!«
Ich kneife meine Augen zu. Dämliche Fahrstuhlmusik strömt aus den blechernen Flughafenlautsprechern. Ich höre keine wunderschönen Farben. Ich rieche keine lieblichen Aromen. Alles, was ich sehen kann, ist die Dunkelheit hinter meinen Augäpfeln.
»Es tut mir wirklich sehr leid, Sir«, sagt die Dame.
»Was ist mit einem Verbindungsflug? Wir
müssen
sie heute Nachmittag nach Washington kriegen!«
Die Frau tippt und klickt wie es scheint stundenlang. Endlich sieht sie auf. »Auch mit anderen Fluggesellschaften gibt es keine Flüge nach D. C., Sir, weder Nonstop noch mit Zwischenstopp. Die Wetterbedingungen haben alles lahmgelegt. Es gibt erst später am Abend wieder etwas. Es tut mir so leid«, flüstert sie.
Ich öffne meine Augen, weil sie sich mit Tränen füllen. Mit verzerrtem Gesicht wendet sich Dad vom Schalter ab. Dann, ohne Vorwarnung, schmettert er seine Faust neben meinem Rollstuhl in die Wand. Ruckartig reiße ich meinen Kopf hoch. Ich weiß, dass das wehgetan haben muss.
»Ahhhhh! Das hätte ich nicht tun sollen!«, gibt er zu und umklammert seine Faust.
Aber wenn ich meine Faust gegen eine Wand hätte schmettern können, hätte ich es auch getan.
Mrs V. sieht von Dad zu mir. »Ich begreife auch nicht, wie das hat passieren können«, sagt sie zu Mom. »Hätte euch nicht jemand aus dem Quizteam anrufen müssen?« Ihre Stimme hätte Steine zermalmen können. »Der Lehrer, vielleicht?«
»Vielleicht war keine Zeit«, sagte Mom hilflos. »Zumindest hoffe ich das. Sie hätten sie bestimmt nicht … bestimmt nicht absichtlich zurückgelassen.«
Ich habe immer noch nicht richtig Luft geholt.
»Ich möchte mich wirklich entschuldigen, Ma’am«, sagt die Frau am Schalter endlich. »Ich habe sogar Flughäfen in Nachbarstädten gecheckt. Aber bis heute Abend gibt es keine Flüge aus der Gegend raus. Ich habe ausreichend Plätze auf unserem Neunzehn-Uhr-Flug, wenn Sie möchten, buche ich für Sie.«
»Nein danke«, sagt Mom leise. »Das ist zu spät.«
Ich habe das Gefühl, der ganze Flughafen ist ein Vakuum. Kein Geräusch. Keine Stimmen. Keine Luft.
Mom läuft langsam auf mich zu.
Ich sitze da, in meinem neuen blau-weißen Outfit, mit neuen passenden Turnschuhen, neben meinem neuen grellroten Koffer und komme mir sehr, sehr dumm vor.
Und wütend. Wie konnten sie mir das
antun?
Und hilflos. Ich
hasse
es, mich so zu fühlen – genau wie als Kleinkind, wenn ich wie eine blöde Schildkröte auf dem Rücken lag und feststeckte. Es gab nichts, was ich hätte tun können. Nichts.
»Wie lange dauert es, bis nach D. C. zu fahren?«, fragt Mrs V. Ich sehe nicht einmal auf. Ich kenne die Antwort.
»Mindestens zehn Stunden«, antwortet Dad leise.
»Flugzeug flieg?«, fragt Penny.
»Heute kein flieg«, sagt Dad und streicht ihr mit seiner heilen Hand sanft über den Kopf.
Mom schiebt mich zu einer Bank auf der anderen Seite der Eincheckhalle. Sie kniet vor mir nieder. Sie weint.
Ich glaube nicht, dass ich je wieder atmen werde.
Mom umarmt mich. »Alles wird gut, Liebling. Du bist immer noch die Beste, die Klügste, das wunderbarste Mädchen der Welt. Irgendwie werden wir damit fertig werden.«
Nein. Ich nicht.
Mrs V. wischt sich ebenfalls über die Augen. Sie sitzt auf der Bank und umfasst meine Hände. »Oh, mein kleines Mädchen, ich weiß, wie schwer es ist. Aber es gibt einfach keine Möglichkeit, wie wir dich nach Washington kriegen könnten.«
Ich sitze nur da. Der kristallene Morgen war in Tausende von Glassplittern zerbrochen.
Kapitel 29
Als wir nach Hause kommen, bitte ich meine Mutter, mich ins Bett zu legen. Ich verweigere das Mittagessen. Ich versuche zu schlafen, aber Quizfragen und Fragen nach dem Warum schwirren durch meinen Kopf.
Warum haben sie mich nicht angerufen?
Warum haben sie mir nichts über das Frühstück gesagt?
Warum kann ich nicht wie alle anderen sein?
Schließlich weine ich in mein Kopfkissen. Toffee stupst mich mit der Schnauze, aber ich ignoriere sie.
Sie haben mich absichtlich zurückgelassen!
Wie konnten sie das nur tun?
Sie haben mich absichtlich zurückgelassen!
Am liebsten möchte ich irgendwo drauftrampeln. Trampeln und trampeln
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