Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
Atemübungen, wie z. B. eine unsachgemäße Kontrolle des Atems, können daher auch Erstickungs- oder Todesängste auslösen. Andersherum können sich durch eine Beruhigung des Atems Ängste langsam wieder auflösen.
Die Atem- oder Pranayama -Übungen können durch eine bewusste Lenkung des Atems das Energiesystem beeinflussen. Anfänger sollten jedoch erst damit beginnen, eine achtsame und respektvolle Beziehung zum Atemgeschehen aufzubauen. In einer Basisübung, die auch Fortgeschrittenen immer wieder empfohlen werden kann, wird der Atem in seinem Kommen und Gehen beobachtet, ohne ihn zu beeinflussen. Nicht nur der Atem, viele physiologische Prozesse sind rhythmisch. Ob es der Rhythmus von Nahrungsaufnahme und Ausscheidung, von Schlafen und Wachen ist – achtsam die eigenen Rhythmen zu begleiten, fördert Ausgeglichenheit und Gesundheit.
Viele Yoga-Bewegungsübungen tragen dazu bei, den Atem zu vertiefen und an Stellen zu lenken, die sonst unbeatmet bleiben würden. Durch eine Seitbeuge nach rechts wird die linke Flanke gedehnt und flexibilisiert; durch eineRückbeuge wird im vorderen Teil des Rumpfes der Atemprozess intensiviert. Bei einer achtsamen Atembeobachtung kann man wahrnehmen, dass der gesamte Rumpf von den Schultern und Schlüsselbeinen bis hinunter zum Becken vom Atem sanft bewegt wird. Durch die rhythmische Bewegung von Lunge und Zwerchfell werden alle inneren Organe in ihrer Position leicht mitbewegt. Übungen werden nur dann dem Namen Yoga gerecht, wenn Atem, Bewegung und Bewusstsein im Einklang miteinander sind. Dennoch gibt es bestimmte Übungsreihen, die den Fokus mehr auf Muskelaufbau, Ausdauer und Kräftigung des Körpers legen, andere verfolgen das Ziel, die Atemkraft zu stärken, das Atemvolumen zu vertiefen oder den Atem an bestimmte Stellen im Körper zu lenken, und es gibt Übungen, die die Kraft des Bewusstseins fördern.
Um den Atem zu vertiefen, kennt Yoga verschiedene Wege: Da sind zunächst die Übungen, die den Brustkorb weiten, wie z. B. »Der Fisch« (siehe Abb. 10) oder »Last von den Schultern werfen« (siehe Abb. 23). Eine Erweiterung des Atemvolumens ergibt sich auch, wenn der Atem angehalten oder sein Weg durch ein Hindernis erschwert wird, z. B. indem ein Nasenloch zugehalten wird ( Anulo Viloma ), die Stimmritze gepresst wird ( Ujjay-Atmung 26 ) oder indem man eine Pause zwischen Ein- und Ausatmung einlegt: Während der Atembeobachtung wartet man (neugierig) auf den nächsten Impuls zum Ein- bzw. Ausatmen, begrüßt ihn und gibt erst dann dem Impuls nach. Wird der Atem in seinem natürlichen Fluss für kurze Zeit gehemmt, fließt er danach umso intensiver. Dies sollte jedoch sehr achtsam und nur langsam gesteigert werden, keinesfalls mit Ehrgeiz oder starker Kontrolle erzwungen werden, sonst können lebensbedrohliche Angstzustände ausgelöst werden. Für die meisten Zivilisationskrankheiten wie Ängste und Depressionen ist die Vertiefung des Atems ein wunderbares Heilmittel. Es ist bekannt, dass viele Menschen in unserem Kulturkreis länger einatmen als ausatmen. Yoga empfiehlt, die Ausatmung zu vertiefen.
Wenn wir den Atem achtsam mit unserem Bewusstsein begleiten und dann unser Bewusstsein an eine bestimmte Stelle im Körper lenken, fließt mehr Atem und gleichzeitig damit auch mehr Energie an diese Stelle. Atem und Bewusstsein lieben es, sich gegenseitig zu verbinden. So lässt sich bei manchen Übungen die Erfahrung machen: »Der Atem folgt dem Bewusstsein«, oder auch umgekehrt: »Das Bewusstsein folgt dem Atem.« Eine indirekte Erweiterung des Atemvolumens ergibt sich, wenn die im Atemrhythmus ausgeführte Bewegung verlangsamt wird. Anfängern lege ich besonders nahe, damit zu beginnen.
Es ist nicht leicht, den Atem zu beobachten, ohne ihn gleichzeitig zu kontrollieren. In unserem Kulturkreis gibt es viele Menschen, die zur Kontrolle der inneren Vorgänge, also auch des Atems, neigen. Eine Weitung des Atemraums geschieht häufig auch auf ganz natürliche Weise, wenn das Ausatmen mit einem Ton oder einem Mantra verbunden wird. Versuchen Sie einmal, das WortRuhe mit einem lang gezogenen U-Laut mehrmals mit gedämpfter Stimme vor sich hin zu sprechen, und spüren Sie der Wirkung nach. Der Zusammenklang von Tun und Lassen wird hier besonders wohltuend erlebt: Ich töne und ich lasse einen Ton erklingen.
Kinder nutzen in der Regel noch ganz spontan den Atem für Ihre Bewegungen. Auch früh gelernte Bewegungen verbinden wir oft automatisch mit der Ein- bzw. Ausatmung.
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