Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
Übung auch auf die eigenen Gedanken: Ein Gedanke an eine ärgerliche Begebenheit taucht auf, durch Nicht-Beachtung und Nicht-Reagieren verschwindet er nach einiger Zeit von alleine. Der Geist ist wach und beobachtet das Kommen und Gehen, ohne sich einfangen zu lassen. Darin besteht der aktive Teil. Körper und Psyche sind dagegen in vollkommener Ruhe, der intellektuelle Teil des Gehirns nur zum Teil. Im EEG dominieren die Alpha-Wellen, was auf eine Harmonisierung der beiden Hirnhälften hindeutet. Das ergab eine Untersuchung an der Universität Köln. 48 Dem Bewusstseinszustand, der im Yoga Nidra entsteht, wird tiefe Heilwirkung für die typischen Zivilisationskrankheiten wie Stress, Angst und viele psychosomatische Erkrankungen zugeschrieben.
In Kapitel 2 habe ich bereits die vier Leid erzeugenden Kleshas erwähnt. Das Anhaften wurde als Ursache für Schmerz beschrieben. Yoga Nidra zielt auf das Lösen aller Anhaftungen. Lösen unterscheidet sich von Wegschieben. Mit dem Wegschieben wird einem Phänomen negative Energie zugeführt, hier ist jedoch das Entziehen von positiver Energie, von Bindungsenergie gemeint. Die Yogis unterscheiden drei Hauptspannungsarten: Zuerst wird die Muskelspannung losgelassen; das Nervensystem und alle inneren Organe dürfen sich entspannen. Als Nächstes wird die Bindung an emotionale Ereignisse gelöst. Wir sind gewohnt, etwas als Glück oder Unglück zu bezeichnen, einen Menschen freundlich und nett oder unsympathisch zu nennen. Durch diese Bewertungen teilen wir die Welt in gut und böse ein: Die netten Menschen wollen wir gerne in unserer Nähe haben, und die unsympathischen sollen weit weg bleiben. Indem wir uns auch von dieser Anhaftung lösen, nehmen wir alles wertneutral zur Kenntnis und lassen, die Dinge so, wie sie sind. In einer verstrickten Beziehung wird am Partner gezerrt, weil er nicht dem eigenen Wunschbild entspricht. Wenn wir ihn lassen wie er ist (ohne uns zu trennen!), gewinnt er Freiheit und wir selbst ebenso. Bei der geistigen Entspannung lösen wir uns von Vorstellungen über uns selbst, von Ehrgeiz oder narzisstischen Phantasien. Dieser Zustand, in dem wir auf allen Ebenen gelöst und im reinen Sein sind, kann tiefe Entspannungs- und Glücksgefühle auslösen.
Im Abschnitt über Lerngesetze in Kapitel 1 wurde gesagt, dass es schneller geht, etwas zu lernen, als etwas zu verlernen. Die meisten von uns haben gelernt, sich anzustrengen. Wir haben gehört und verinnerlicht: »Gib dir Mühe, streng dich an, sei schneller als der Nachbar usw.« Selten lernen wir, loszulassen und zu entspannen. Die Lernforschung hat durch wissenschaftliche Methoden herausgefunden, dass das Gehirn nach circa 90 Minuten Lernen eine Pause von 20 Minuten zum Sacken-Lassen braucht und dass es für die Merkfähigkeit günstiger ist, sich an mehreren Tagen kurz mit einem Inhalt zu beschäftigen als an einem Tag sehr lange. Im Yoga heißt es, den Rhythmus von Ha (Sonnenprinzip) und Tha (Mondprinzip) zu pflegen. Das Wort »sich nieder-lassen« bringt gut zum Ausdruck, worum es in der folgenden Übung geht: Sich aktiv und wach für das Lassen engagieren. Sich von der Erde getragen fühlen.
Die beiden folgenden Übungen können eine noch tiefere Wirkung entfalten, wenn sie zu zweit durchgeführt werden und jeweils der eine vorliest oder anleitet und der andere liegt und die Übung innerlich vollzieht. So können sich Freundinnen oder Partner gegenseitig etwas Gutes tun.
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Übung: Körperreise – Bodyscan
Legen Sie sich in einem gut gelüfteten und beheizten Raum in Rückenlage auf einen Teppich oder eine Decke. Eventuell ist eine zweite Decke zum Zudecken nötig, weil der Körper durch die Entspannung leicht auskühlt. Die Füße sind etwa 10 bis 20 cm voneinander entfernt, die Zehen sinken locker und entspannt nach außen. Die Arme liegen mit geringem Abstand neben dem Körper, die Handinnenflächen weisen nach oben, damit die Schultern guten Bodenkontakt haben können.
Strecken Sie sich nun noch einmal zwischen Fersen und Hinterkopf und lassen sich dann in diese Position, die Savasana genannt wird, ganz hineinsinken. Nun wandern Sie, beginnend mit dem rechten Fuß, langsam durch Ihren Körper. Einatmend schicken Sie einen Bewusstseinsimpuls zu dem entsprechenden Körperteil, um ausatmend diesen Teil einzuladen, es sich noch gemütlicher zu machen und zu entspannen.
Beginnen Sie mit der rechten Fußsohle, der rechten Ferse, dem rechten Fußgelenk, Unterschenkel, Knie, Oberschenkel,
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