Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
und von keinem gelesen werden, wo ist dann der Sinn? Die zuerst genannten Beispiele zeigen, dass es möglicherweise noch etwas zu lernen gibt, wie Brotbacken besser gelingt oder welche Patientinnen und Patienten vielleicht bei einer Kollegin besser aufgehoben sind. Die letzteren Beispiele dagegen machen einen Mangel in unserer Gesellschaft deutlich: Der Mensch braucht Würdigung und Anerkennung für sein Tun, und ich ermutige gerne Menschen, auf diesem Recht auch zu bestehen.
Während meiner Yogalehrer-Ausbildung hatte unsere Gruppe einen Koch, der vor Beginn der Mahlzeit einen Wagen mit dem fertig zubereiteten Essen in den Speisesaal fuhr und uns mitteilte, was er heute gezaubert hatte. Es war üblich, dass wir alle danach klatschten. Als wir es einmal, ins Gespräch vertieft, vergaßen, fuhr er den Wagen wieder zurück in die Küche. Wir vergaßen es nur dieses eine Mal, in Zukunft dachten wir daran. Ich erzähle diese Geschichte gerne. Sie kann Mut machen, auf diesem natürlichen Bedürfnis zu bestehen. Der Koch hat das Essen gerne für uns zubereitet, es ist eine soziale Tat. Und es gelingt ihm leichter, Sinn in seinem Tun zu finden, wenn sein Werk gewürdigt wird.
Kürzlich las ich ein Zeitungsinterview mit einem Unternehmer. Ein Satz hat mich besonders berührt: »In Zukunft wird der Faktor Sinn den Faktor Geld ablösen.« Eine sozial-ökologische Bank, die Kredite nur an sorgfältig ausgewählte Firmen vergibt, macht mit ihrer Wertsetzung Werbung: »Was macht Ihr Geld bei uns? Sinn.« In der Zunahme von Stiftungsgründungen und NGOs zeigt sich das Bedürfnis vieler Menschen, mit der eigenen Tätigkeit und dem eigenen Geld etwas Sinnvolles zu tun. Dies kann und will man nicht mehr an staatliche Institutionen delegieren; das Bedürfnis nach Authentizität und Selbstverwirklichung lässt das nicht mehr zu.
Um Sinn in seiner beruflichen Tätigkeit zu finden, sind zwei Fragen wichtig: Die erste Frage ist: »Wer bin ich, was sind meine besonderen Fähigkeiten, wo ist meine Grenze und was ist nicht mein Gebiet?« Diese Frage braucht eine klare, objektive Antwort ohne Wertung oder Einfluss nehmende heimliche Wünsche. Und die nächste Frage ist: »Was braucht die Welt, woran fehlt es, was brauchen meine Mitmenschen?« Wenn nur eine Antwort auf die Frage nach den Fähigkeiten gefunden wurde, kann es schwierig werden, einen Geldgeber zu finden. Wenn nur das Gebrauchtwerden im Außen die Berufswahl beeinflusst, tauchen früher oder später möglicherweise Erschöpfung oder Burn-out-Phänomene auf. Je größer die Schnittmenge zwischen den beiden Bereichen ist, desto leichter wird die Berufswahl ausfallen. Die beiden Fragen werden dann verbunden zuder Frage: »Mit welcher Aufgabe, welchem Projekt, welcher Fragestellung kann ich mich innerlich verbinden?«
Vor vielen Jahren habe ich für einige Wochen die spirituelle Lebensgemeinschaft in Findhorn/Schottland besucht. Jeweils am Sonntagabend wurde in einer Gruppe, die aus zwölf Personen bestand, mitgeteilt: »Wir brauchen in der nächsten Woche noch vier Personen in der Küche, drei Personen im Garten, zwei zum Anstreichen, drei zum Putzen. Wer kann sich mit welcher Aufgabe verbinden?« Es folgte dann eine Phase von etwa fünf Minuten Stille, in der jeder für sich der inneren Bereitschaft nachspürte, und danach wurde geprüft, ob es passte. Wenn sich zu viele für die Küche und zu wenig für den Garten gemeldet hatten oder umgekehrt, folgte noch einmal eine Phase der Stille, in der jeder prüfte, ob es angesichts dieser äußeren Notwendigkeit für sie oder ihn auch stimmig sein könnte, sich anders zu entscheiden. Es gab Sonntagabende, da passte die Anzahl der benötigten Arbeitsplätze schnell zu der Anzahl der Personen. Und dann gab es andere, da waren mehrere Phasen der Stille und Überprüfung nötig, bis sich ein Gefühl von Stimmigkeit einstellte. Es hatte mich überrascht, wie wichtig es genommen wurde, dass jeder sich mit seiner Aufgabe identifizieren kann. Die Begründung wurde mir bald geliefert: Die innere Einstellung, mit der wir an die Arbeit gehen, prägt das Ergebnis und wirkt sich auf die Materie aus, die wir bearbeiten. Das leuchtete mir ein.
In der Morgenrunde wurde noch einmal geschaut, ob sich jeder am beginnenden Tag mit seiner Arbeit verbinden konnte. War eine Person unwillig oder lustlos, wurde gefragt, was sie brauchte, um an ihre Arbeit gehen zu können. Das konnte eine Massage, ein verständnisvolles Gespräch oder eine Umarmung sein. Die
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