Mitch
geht.“
Bethany war ganz gerührt. „Das haben Sie sehr nett gesagt.“
„So was hören Frauen gern, stimmt’s?“ erkundigte sich John. „Ich meine, dass sie hübsch sind und so.“
Unwillkürlich fragte sie sich, worauf er hinauswollte. „Das kann man wohl sagen.“
Sie musste sich ein Lächeln verkneifen. Bei einem anderen Mann hätte sie sich im günstigsten Fall geärgert, aber nicht bei John. Außerdem war es ein wundervoller Abend. Der Himmel war sternenklar, und das Polarlicht schien direkt über dem Horizont zu flackern. Immer wieder schaute sie zum Himmel.
„Ist es immer so schön hier?“
„Ja“, erwiderte John, ohne zu zögern. „Allerdings behauptet man, dass schön ist, was einem gefällt.“
„Stimmt“, erwiderte sie ein wenig verwirrt.
„Es dauert nicht mehr lange, dann frieren die Flüsse zu“, erklärte er ernst.
„Jetzt schon?“
„Ja. Es kann jeden Tag schneien.“
Bethany konnte das kaum glauben. „Wirklich?“
„Wir sind hier in der Arktis.“
„Mir kommt es so vor, als wäre ich gerade hier angekommen. In Kalifornien ist noch Sommer.“
„In Kalifornien vielleicht, aber hier nicht.“ Plötzlich wirkte er bedrückt. „Sie wollen doch nicht abreisen, oder?“
„Nein. Ich habe mich verpflichtet, ein Jahr hier zu unterrichten. Keine Angst, ich werde nicht wegen etwas Schnee und Eis vertragsbrüchig.“
Als sie an der Schule vorbeikamen, betrachtete Bethany das Gebäude mit einem gewissen Stolz. Sie liebte ihren Beruf und mochte ihre neuen Schüler.
Kurz darauf standen sie vor ihrer Haustür. Da Bethany John nicht hereinbitten wollte, überlegte sie, wie sie die peinliche Situation entschärfen konnte.
„Vielen Dank“, meinte sie schließlich noch einmal.
„Der Abend wäre wesentlich netter gewesen, wenn ich nicht … Na ja, Sie wissen schon.“
„Machen Sie sich wegen des Kaffees keine Gedanken.“
„Vergessen Sie den Zuckerstreuer nicht.“ John lächelte jungenhaft, als würde er das Ganze jetzt amüsant finden.
„Ansonsten war es aber ein schöner Abend“, versicherte sie.
Er betrachtete angestrengt seine Schuhe. „Sie würden wohl nicht noch einmal mit mir essen gehen, oder?“
Bethany wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie mochte John, mehr aber auch nicht, und wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen. Diesen Fehler hatte sie bereits einmal begangen.
„Wenn Sie nicht wollen, brauchen Sie kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich kann verstehen, wenn eine so schöne Frau wie Sie nicht mit jemandem wie mir gesehen werden möchte.“ Nun räusperte er sich und sah sie verlegen an.
„Was halten Sie davon, wenn wir nächsten Freitag wieder zusammen zu Abend essen?“ fragte Bethany.
„Ist das Ihr Ernst.“
Sie lächelte. „Diesmal lade ich Sie ein.“
Sichtlich enttäuscht, verschränkte er die Arme vor der Brust. „Sie wollen
mich
zum Essen einladen?“
„Ja. Unter Freunden ist das so üblich.“ In diesem Moment hörte sie, wie ein Wagen die Straße entlangfuhr.
„Freunde, sagten Sie?“ Der Wagen kam immer näher.
Bethany lächelte und beugte sich vor, um John einen Kuss auf die Wange zu geben. Als sie sich wieder zurückbeugte, stellte sie fest, dass der Wagen angehalten hatte.
Im Mondlicht konnte sie deutlich die Silhouette von Mitch Harris erkennen. Mitch hatte gerade beobachtet, wie sie John Henderson geküsst hatte.
4. KAPITEL
I n der ersten Oktoberwoche kam der erste Schnee. Den ganzen Tag lang fielen dicke Flocken und überzogen alles mit einer weißen Schicht. Mitch stellte fest, dass er sich noch immer nicht an den frühen Winteranfang gewöhnt hatte. So schön und friedlich es auch aussah, war es doch nur ein Vorgeschmack auf die bittere Kälte, die noch folgen würde.
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Gleich würde er zur Schule gehen, um Chrissie abzuholen. Das tat er inzwischen jeden Freitagnachmittag – nicht, dass sie ihn darum gebeten hätte. Nein, er vermutete, dass es eher seinem masochistischen Bedürfnis entsprang, Bethany zu sehen.
Am Freitagabend arbeitete Mitch normalerweise, und dann passte Diane Hestead auf Chrissie auf. Es war der einzige Abend in der Woche, an dem Ben Alkohol ausschenkte. Bevor die Frauen in Hard Luck eingetroffen waren, hatten einige der Piloten und ab und zu auch ein Fallensteller das Café besucht. Doch nachdem in den Medien so viel über Hard Luck berichtet worden war, wurde es immer voller, denn es kamen unter anderem auch Männer, die an der Pipeline
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