Mitch - Herz im Dunkeln
süßer Lämmchen und Fohlen helfen. Stattdessen landete ich in einer Tierklinik, wo ich von Autos angefahrene Hunde versorgte und misshandelte Haustiere. Einmal brachte eine Frau ihre Katze zu uns in die Praxis – jemand hatte das Tier mit Feuerzeugbenzin bespritzt und angezündet. Es war …“ Sie schüttelte den Kopf. „Es war einfach schrecklich. Trotzdem war ich entschlossen, nicht hinzuwerfen. Ich hatte so lange diesen Traum gehabt, Tierärztin zu werden. Ich konnte ihn nicht einfach aufgeben.“
Mitch hatte sie die ganze Zeit angesehen. Die Farbe seiner Augen war eine vollkommene Mischung aus Grün, Blau und Braun. Doch jetzt senkte er den Blick und sah auf seine Kaffeetasse. „Es ist schwer, sich einzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat – besonders in dieser Größenordnung.“
„Ich glaube, ich fürchtete mich vor allem vor dem Unverständnis meiner Eltern“, gab sie zu.
Er hob den Blick wieder und sah ihr in die Augen. Becca hatte plötzlich das Gefühl, als schwanke der Raum. „Was geschah dann?“
„Peg bekam die Diagnose Krebs.“
Mitch nickte, als hätte er damit gerechnet, dass sie ihm diese schreckliche Nachricht über ihre lebenslange beste Freundin erzählen würde. „Das tut mir leid.“
„Es war die Hodgkin-Krankheit, ein bösartiger Tumor im Lymphsystem. Im fortgeschrittenen Stadium. Sie bekam Bestrahlung und Chemotherapie, aber …“ Himmel, es war zehn Jahre her, trotzdem musste Becca immer noch gegen die Tränen ankämpfen. Andererseits hatte sie nie darüber gesprochen. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, wann sie jemals so viel von sich preisgegeben hatte. Aber sie wollte, dass Mitch verstand. Vielleicht konnte er dann nachvollziehen, weshalb sie so hartnäckig war, was ihn betraf.
„Acht Monate später starb sie“, sagte Becca.
Mitch nahm schweigend ihre Hand.
Becca betrachtete ihre verschränkten Finger und musste gegen die erneut aufsteigenden Tränen ankämpfen. Mitchs Hände waren warm, seine Finger kräftig und rau von der harten Arbeit. Sie wollte, dass er ihre Hand hielt, aber er sollte es nicht aus Mitleid tun.
Sanft entzog sie ihm ihre Hand. „Sie wusste, dass sie sterben würde“, fuhr Becca fort. „Obwohl ich längst aufgehört hatte, mich über das Studium zu beklagen – wie konnte ich mich angesichts ihres schweren Schicksals über banale Dinge wie langweilige Dozenten auslassen? –, wusste sie, dass ich unglücklich war. Und sie brachte mich dazu, darüber zu sprechen. Ja, ich hasste das Studium, aber ich wollte nicht aufgeben. Ich fühlte mich gefangen von meinen Erwartungen und meinem Verantwortungsgefühl. Peg fragte mich, was ich am liebsten täte, mehr als alles auf der Welt. Natürlich wusste sie es – ich liebte das Reiten. Ich sagte, na klasse, wer wird mich denn dafür bezahlen, dass ich den ganzen Tag reite? Daraufhin sagte sie, ich solle Cowboy werden und auf einer Ranch arbeiten. Ich solle tun, was immer ich tun müsse, um glücklich zu werden. Das Leben sei einfach zu kurz, um es zu vergeuden.“
Mitchs Augen waren wunderschön, aber unergründlich. Sicher, er verstand, was sie ihm erzählte. Aber es war ihm nicht anzusehen, ob er ihre Worte auch auf sich und Becca bezog – auf die Anziehung zwischen ihnen. Als er endlich sprach, überraschte er sie. „Warum arbeitest du dann immer noch auf Lazy Eight?“
Sie antwortete nicht gleich. „Weil ich New Mexico liebe.“ Es klang genau wie das, was es war – eine Ausrede.
Mitch nickte.
Becca schloss für einen Moment die Augen. „Na schön, ich wäre selbstständig viel glücklicher. Heute Abend habe ich ein Lotterielos gekauft. Vielleicht habe ich Glück und gewinne genug Geld, um mir meine eigene Ranch zu kaufen.“ Ja, und vielleicht wuchsen Silver Flügel, mit denen er fliegen konnte. Oder, was sogar noch unwahrscheinlicher war, vielleicht wachte sie morgen früh im Bett neben Mitch auf.
Sie wandte den Blick ab, weil ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie ihn anstarrte wie die Dessertkarte. „Ich sollte mich jetzt besser wieder unter die Leute mischen.“
„Weißt du, manchmal ist es besser, wenn man sich sein Glück erkämpft“, sagte er, als sie aufstand. „Wenn man sein Glück sucht, statt darauf zu warten, dass es ganz von selbst zu einem kommt.“
Becca berührte ihn, nur leicht, ihre Fingerspitzen glitten hauchzart über seine Wange. „Hast du denn noch nicht gemerkt, dass ich genau das versuche?“
Mit pochendem Herzen wandte sie sich ab, ohne
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