Mitch - Herz im Dunkeln
seine Reaktion abzuwarten.
Sie hatten den ersten Schritt getan über jene Grenze, die sie beide selbst zwischen sich errichtet hatten. Jetzt war es an Mitch, den nächsten Schritt zu tun. Würde er also bleiben? Oder würde er die Flucht ergreifen?
Becca kannte jeden, der in Santa Fe etwas darstellte.
Sie arbeitete sich wie ein echter Profi durch den Saal, indem sie Hände schüttelte, sich an Namen erinnerte und Mitch den Leuten mit einer kurzen Anekdote vorstellte. „Das ist James Sims. Spiel auf dem Golfplatz bloß nie um Geld mit ihm. Er ist so gut wie ein professioneller Golfspieler.“ Oder: „Mitch Parker, Frank und Althea Winters. Ihre Enkelin ist gerade an der Yale University angenommen worden, Hauptfach Biochemie.“
Und es war nicht gespielt. Becca konnte wirklich gut mit den Leuten umgehen. Und alle mochten sie. Wer hätte diesem freundlichen, einnehmenden Lächeln auch widerstehen können?
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er nach dem Abendessen noch blieb. Mitch hatte ihr die Überraschung angemerkt, als er zu ihr an die Bar trat, nachdem er am Tisch noch einen zweiten Kaffee getrunken hatte – um seinen Puls zu beruhigen.
Dabei wusste er selbst nicht genau, warum er nicht gegangen war. Ihre Botschaft, die sie mit ihrer Erzählung vom Tod ihrer Freundin übermittelt hatte, war klar und deutlich. Das Leben ist zu kurz. Komm zur Sache! Trau dich und spring! Tu es!
Und nur für den Fall, dass er zu begriffsstutzig war, hatte sie auch noch ebenso zärtlich wie provozierend seine Wange berührt – um sicherzugehen, dass die Botschaft wirklich angekommen war. Komm heute Nacht mit zu mir.
Mitch wollte diese Einladung annehmen. Er wollte dieser Frau nachgeben. Die Versuchung war so groß, dass er sie körperlich spürte. Ihm war durchaus klar, dass er schleunigst hätte verschwinden sollen.
Nun schaute er zu, wie Becca sich von einem Mann in den Achtzigern auf die Tanzfläche entführen ließ.
Sie versprühte ihren Charme, und da sie sich in sicherer Entfernung befand, gestattete Mitch sich den Luxus, sie zu begehren. Er sehnte sich danach, diesen sexy Körper an sich zu pressen, ihre warmen Lippen auf seinen zu spüren. Aber es ging über Sex hinaus, obwohl es sich natürlich auch darum drehte. Es hatte keinen Sinn, sich in dieser Hinsicht etwas vorzumachen: Er verzehrte sich geradezu nach ihr. Aber er wollte sie auch einfach nur im Arm halten, mit ihr einschlafen und nicht von der Vergangenheit träumen, sondern von der Zukunft.
Von einer strahlenden Zukunft, die nicht von Fehlern, Bedauern oder heimlichen Zweifeln überschattet war.
Mitch stand da und beobachtete Becca. Er lief nicht weg. Im Gegenteil, er stand wie angewurzelt.
Der Song endete, und der alte Mann führte Becca wieder zu Mitch.
Endlich waren sie allein, zum ersten Mal seit Stunden. Zumindest kam es ihm so vor. Der Raum leerte sich allmählich, die Feier näherte sich dem Ende.
„Die Band baut ihre Sachen ab“, erklärte Becca und versuchte, eine ihrer Haarklammern wieder festzustecken.
Sie und Mitch hatten immer noch nicht zusammen getanzt. Wahrscheinlich war das ganz gut so.
„Wo übernachtest du?“, fragte er und verkniff es sich zum neuntausendsten Mal an diesem Abend, sie zu berühren. Er musste die Kraft finden, sich von ihr fernzuhalten. Sie hatte jemand Besseres als ihn verdient.
„Ich wohne im alten ‘Santa Fe Inn’, ein Stück die Straße hinunter. Es ist gerade frisch renoviert worden, und es ist wundervoll geworden.“ Augenzwinkernd fügte sie hinzu: „Keine Sorge, ich werde dich nicht fragen, ob du mitkommen und es dir ansehen willst.“ Sie hielt ihm die Hand zum Abschied hin. „Danke für den reizenden Abend.“
Mitch schaute fassungslos auf ihre Hand. Glaubte sie ernsthaft, er würde ihr lediglich die Hand schütteln und sie dann in die Nacht entlassen? In einem Kleid, das die Aufmerksamkeit jedes männlichen Wesens im Umkreis von zehn Meilen weckte?
„Ich bringe dich zu deinem Wagen“, erklärte er.
„Ich habe beim Hotel geparkt.“
Verdammt! „Dann begleite ich dich eben zum Hotel.“ Aber das wäre ein fataler Fehler. Das war ihm klar, noch ehe er die Worte ausgesprochen hatte.
„Das ist wirklich nicht nötig“, sagte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen.
„Ich werde nicht mit hineinkommen“, sagte er. Nahm er sich vor.
„Na ja“, meinte Becca, schon auf dem Weg zur Tür. „Ich werde dich nicht dazu zwingen, also brauchst du nicht so nervös zu sein.“
Mitch rollte
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