Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Verständigungsbereitschaft, verbunden mit der Fähigkeit, die Perspektive der anderen zu ermitteln und nachzuvollziehen; auf der anderen Seite der Mut zur Konfrontation, Courage, Zorn und Ablehnung zu bekennen und zu benennen und dabei die Disharmonie auszuhalten, die den lieben Seelenfrieden so empfindlich beuteln kann.
Abb. 31:
Wertebalance einer konstruktiven «Streitkultur» (innerer wie äußerer)
Oben: Die beiden zusammengehörigen Schwestertugenden
Unten: Die Entartungsformen, sobald nur eine Tugendhälfte gelebt wird
Die inneren Teamkonferenzen und Ratsversammlungen des vorigen Kapitels geben eine Vorstellung davon, wie eine gute Streitkultur konkret aussehen kann. Im Idealfall wird aus der Not eine Tugend, kommt nicht trotz, sondern durch den Konflikt jene Weisheit zum Tragen, die nicht im einen oder anderen Pol enthalten ist, sondern in der Spannung der Gegensätze selbst verborgen liegt.
Was aber, wenn die inneren Konflikte derart heftig und/oder anhaltend ungelöst bleiben, dass es dem Menschen nicht nur die Sprache, sondern die ganze Handlungsfähigkeit verschlägt und ihm noch dazu die Lebensfreude raubt? «Mit sich selbst uneinig sein», um eine Formulierung von Tolstoi zu gebrauchen, kann in manchen Fällen so quälend werden, dass nur noch der Freitod als einziger Ausweg erscheint. Unter weniger dramatischen Umständen kann es – und das ist der Aspekt, der uns als Kommunikationsberater vor allem zu interessieren hat – zu einem schwerwiegenden und andauernden Kontakthindernis werden.
3.1
Folgen für Kontakt und Kommunikation
Was passiert innerseelisch und dann auch zwischenmenschlich, wenn das Oberhaupt die Kraft zur Einberufung und Moderation einer inneren Ratsversammlung nicht aufbringt oder wenn eine Teambildung misslingt?
Der Parallelitätsthese (S. 74ff.) folgend, können wir auch zunächst fragen: Was passiert in Gruppen (Gremien, Parteien etc.), wenn anhaltend ungelöste Konflikte das Miteinander bestimmen und zum Gegeneinander werden lassen? Wer jemals durch die Hölle anhaltender Teamkonflikte gegangen ist, kennt die grausame Vielfalt der Auswirkungen. Es lassen sich Binnen- und Außenwirkungen unterscheiden.
Binnenwirkungen ungelöster Teamkonflikte
Allgemein kann von einem schlechten Betriebsklima gesprochen werden. Statt gegenseitiger Unterstützung und Ermutigung herrschen entweder manifeste Gehässigkeiten und Verächtlichkeiten vor oder aber latente Feindseligkeit hinter einer Fassade von Sachlichkeit und Höflichkeit. Man geht einander aus dem Weg und/oder gruppiert sich in Cliquen. Energie und Schaffenskraft kommen kaum noch der gemeinsamen Aufgabe zugute, sondern werden in die Bewältigung der internen Vorgänge gesteckt: Verbündete gewinnen, Schlachtpläne ausarbeiten, Intrigen spinnen, Schriftstücke erstellen. Konferenzen und Zusammenkünfte verlaufen «ätzend» und zeitraubend. Das alles geht an die Nieren, es häufen sich Krankheiten und Fehlzeiten, die Gruppe ist zerfallsbedroht, innere und tatsächliche Kündigungen nehmen zu (s. Abb. 32).
Abb. 32:
Binnen- und Außenwirkungen interner Konfliktspannungen in Gruppen (Gremien, Parteien etc.), sofern anhaltend ungelöst
Trifft dieses Szenario, das wir aus Arbeitsgruppen nur allzu gut kennen, auch auf innerseelische Verhältnisse zu? Auch hier ist das «innere Betriebsklima» spürbar gestört. In leichteren Fällen wird der Konflikt als ein Unbehagen empfunden, in schweren Fällen als überaus qualvoll – bis hin zum Suizid. So wie es in Gruppen den «heißen» und den «kalten» Konflikt gibt (vgl. Glasl 1990) – in heftiger Feldschlacht ausgetragen oder unterschwellig belastend in «eisigem» Schweigen –, so gibt es im inneren Milieu zum einen das aufwühlende Hin- und Hergerissensein, das den Nachtschlaf raubt und die Tage zermürbt, zum anderen gibt es den unbewusst verschleppten Konflikt, von dem sein «Besitzer» nichts weiß und nichts wissen will, der ihm aber entweder die Lebensenergie abzieht («Ich bin so unerklärlich müde, schlapp und gereizt in letzter Zeit!») und/oder ihm psychosomatische Symptome beschert, durch die ein verdrängter Konfliktpartner die Bühne in Verkleidung betritt: die Krankheit als Folgeerscheinung eines inneren Bürgerkriegs und der Bildung von «Untergrundbewegungen» (s. Kapitel 4, S. 264ff.). So können wir, cum grano salis, die Abbildung 32 auch für innere Verhältnisse verwenden (s. Abb. 33).
Abb. 33:
Binnen- und Außenwirkungen innerer
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