Mithgar 10 - Die schwarze Flut
sich die Wurrlinge leicht im Labyrinth der Stadt verirren können. Der gut gekennzeichneten Poststraße folgend, ritten sie zwischen den Läden, Lagern und Werkstätten hindurch, wobei ihnen nicht entging, dass viele dieser Geschäfte verlassen waren.
Wieder stießen sie an einen mächtigen Wall und folgten der Straße entlang des Bollwerks. Schließlich kamen sie zu einem Tor, und auch dieses war bewacht, stand aber offen. Sie ritten hindurch und weiter nach oben, nunmehr vorbei an farbenfrohen Reihenhäusern mit unerwarteten Winkeln und Stiegen, mit Balkonen und Türmchen, alle Dächer nun von Schnee bedeckt, durch den da und dort helle Fliesen zu sehen waren. Doch auch hier standen Gebäude leer. Wo es aber Leute gab, blieben sie auf der Straße stehen oder lehnten sich aus Fenstern, um das Kleine Volk vorüberreiten zu sehen.
Hier gab es nur noch vereinzelt Straßenhändler: einen Messerschleifer, einen Holzkohleverkäufer; ein von Pferden gezogener Wagen schleppte Wasser von den Brunnen der Ebene zu den Haushalten auf dem Berg.
Ein weiteres Mal kamen sie unter einem großen Schutzwall hindurch - die dritte Mauer -, und wieder ritten sie zwischen Häusern, die nun größer und stattlicher waren als die weiter unten, aber immer noch dicht aneinandergebaut. Auch hier herrschte eine Atmosphäre der Verlassenheit, denn es gab nur wenige Leute und viele unbewohnte Häuser.
»Hast du all die leeren Gebäude gesehen?«, wandte sich Argo an Tuck. Als dieser nickte, fuhr Argo fort: »Dann frage ich dich, wie kann auf dem Markt unten beim ersten Tor so ein lebhafter Handel stattfinden, wenn die Stadt nahezu verlassen ist?« Darauf wusste Tuck natürlich keine Antwort, und sie ritten weiter.
Schließlich erreichten sie den vierten Wall, der den Krongrund umgab. Als sie ans Tor kamen, war das Fallgitter herabgelassen, die Flügel des massiven Eisenportals jedoch standen offen. Die Wurrlinge ritten vors Tor, das Klappern der Ponyhufe auf dem Kopfsteinpflaster endete, und in der luftigen Stille grüßte Patrel die Wachleute auf dem Vorwerk. »Holla! Wächter!«
»Nennt euer Begehr«, rief einer der Männer herab.
»Wir sind die Kompanie des Königs«, entgegnete Patrel, und alle Wurrlinge saßen stolz im Sattel, »und wir sind aus den Sieben Tälern seinem Ruf gefolgt.« Wenngleich durchaus beeindruckt durch die bloße Tatsache, Angehörige des Kleinen Volks vor sich zu haben, musste der Mann auf dem Wall innerlich dennoch lächeln darüber, dass sich so ein kleiner, bunter Haufen hochtra bend »Kompanie des Königs« nannte. Doch aus der Legende wusste er, dass eine andere kleine Gruppe des Kleinen Volks, dieser Wurrlinge, eine entscheidende Rolle im Großen Krieg gespielt hatte, deshalb fiel es ihm nicht im Mindesten ein, sie zu verspotten. »Einen Augenblick«, rief er. »Ich hole meinen Hauptmann.« Der Mann verschwand hinter den Mauerzacken, und die Wurrlinge warteten geduldig. Bald darauf erschien ein anderer Mann und rief nach unten: »Seid ihr Krieger, die in dieser Stunde der Not dem König dienen wollen?«
»Ja«, rief Patrel zum Turm hinauf, doch leise sagte er zu Tuck und Danner: »Auch wenn Krieger vielleicht ein zu starker Ausdruck ist.« Dann rief er wieder nach oben: »Wir sind die Kompanie des Königs, Dorngänger aus den Sieben Tälern, dem Land der Großen Barriere. Wir folgen dem Ruf des Königs, der Herold aber, der uns diese Nachricht überbrachte, ist tot, vom Vulg ermordet.«
»Tot? Vom Vulg ermordet?«, schrie der Turmkommandant. »Kommt herein. Ich werde euch empfangen.« Er wandte sich mit dem Befehl »Öffnet das Gitter« an die Wachmannschaft und verschwand aus dem Blickfeld, während einige Männer an die Winden eilten. Unter dem Klappern von Zahnrädern wurde das Fallgitter langsam nach oben gezogen.
Die Kolonne ritt in den Durchgang unter der Mauer und hielt inne, bis das zweite Fallgitter ebenfalls hochgezogen war, und schließlich ritt sie hinaus in den Krongrund, wo der Hauptmann der Wache sie schon erwartete. »Ich bringe euch zu Rossmarschall Vidron, königlicher Generalfeldmarschall. Er muss vom Tod des Herolds erfahren. Ihr müsst ihn ohnehin aufsuchen, denn er ist derjenige, der die Verbündeten befehligt, wenn der König selbst nicht ins Feld ziehen kann. Nun folgt mir, wir reiten zur alten Festung.« Der Mann sprang auf ein braunes Pferd, und wieder ritten sie über das Pflaster der Poststraße; ge legentlich ging es steile Felsklippen hinauf, immer näher zur Burg.
Nun war
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