Mithgar 10 - Die schwarze Flut
offene Tür hinein ins Quartier des Feldmarschalls, in seinem Gefolge Patrel und Tuck. Vidron saß auf der Bettkante und zog sich gerade einen Stiefel über; in seiner Nähe drückte sich ein Offiziersbursche herum.
»Würstchen und Winzlinge sind wir also?«, fragte Danner. »Und wer war dieser Possenreißer?«
Der Königsgeneral betrachtete einen Augenblick das Schauspiel eines wutschnaubenden Wurrlings: breitbeinig hingepflanzt, die Fäuste in die Hüften gestemmt, das Kinn trotzig vorgereckt, alle drei Fuß und sieben Zoll bebend vor Zorn. Und dann brach Vidron in Gelächter aus, ließ sich rücklings aufs Bett fallen, den einen Fuß erst halb im Stiefel. Schallende Lachsalven brachen aus ihm heraus, und jedes Mal, wenn er sich zu beherrschen versuchte, ging es von vorne los. Tuck, dann Patrel und schließlich sogar Danner konnten nicht anders - auch sie begannen zu lachen. Schließlich rappelte Vidron sich auf. »Bei den Gebeinen von Schlomp, jedes Mal, wenn ich euch drei treffe, vertreibt Humor den Zorn aus meinem Herzen. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ich von einem wütenden Waldan ins Gebet genommen werde, und das noch dazu in meiner eigenen Höhle. Ach, aber ihr seid Balsam für meine Seele.«
»Und Ihr für unsere, Herr«, entgegnete Patrel. »Doch Danners Fragen bleiben, und ich füge eine weitere hinzu: Warum habt ihr uns rufen lassen?«
Vidron zog sich ächzend den Stiefel vollends über den Fuß und stand auf. Der Bursche hielt ihm die Jacke hin, und der Feldmarschall schlüpfte hinein. »Nun, meine Kleinen, lasst Euch unterrichten, der >Possenreißer< ist Hauptmann Jarriel. Seine Kompanie bewacht die Feste, will heißen die Burg selbst, und schützt die Person des Königs. Er ist ein treuer Mann, den ich mit Freuden unter meinem Befehl hätte, aber er will eigensinnig nur einen möglichen Weg sehen, seinen dienstlichen Anforderungen nachzukommen. Er lehnt die Aufgabe, die ich für eure Dorngängerkompanie vorgesehen habe, aufgrund seines Pflichtgefühls ab, doch hätte er nur zugehört, dann hätte ich ihm gesagt, dass der Vorschlag von König Aurion persönlich stammt.«
»Und was, bitte schön, sollen wir »Würstchen und Winzlinge< demnach tun?«, fragte Patrel und lächelte.
»Na, in der Feste patrouillieren. Den König bewachen. Von den Zinnen der Burg Ausschau halten«, antwortete Vidron.
»Nun aber mal langsam«, wandte Danner ein. »Wir sind hier, um gegen Modru zu kämpfen, nicht um uns hinter den Mauern einer abgelegenen Burg zu verstecken.«
»Ach, so gern wir alle diesen Feind stellen würden, nicht jeder von uns kann es tun«, erwiderte Vidron. »Merkt Euch, Danner: Glaubt nicht, es gibt nur einen Weg zur Erfüllung einer Pflicht, denn damit wärt Ihr der gleiche Possenreißer wie Jarriel. Und beachtet auch dieses: Dadurch, dass Eure Waldfolckkompanie die Burg bewacht, werden vierzig Männer frei, um gegen den Feind ins Feld zu rücken, und vierzig Menschen auf Pferden kommen schneller und weiter voran als vierzig Waldana auf Ponys. Dagegen sind vierzig Waldana auf Burgwache, mit ihren scharfen Augen und ihrem Geschick im Umgang mit dem Bogen, genauso gut, nein, besser als vierzig Menschen mit derselben Aufgabe. So einfach ist das.«
Danner wollte dieses Argument offenbar nicht gelten lassen, bis sich Patrel einschaltete. »Gut gesprochen, Marschall Vidron, und wenn ich Euch recht verstanden habe, hat es der König so befohlen, richtig?« Als Vidron nickte, fuhr Patrel fort: »Dann ist die Angelegenheit entschieden. Bei wem sollen wir uns zum Dienst melden und wann?«
»Na, bei Hauptmann Jarriel natürlich, und zwar gleich heute Vormittag«, antwortete Vidron und zog an einer Glockenschnur. »Aber, aber, bevor ihr Einwände erhebt - Jarriel ist ein gerechter Mann, nur ein wenig starrsinnig. Versucht es mit ihm. Sollte es unerträglich werden, gebt Euch noch mehr Mühe - dann kommt zu mir. Bis dahin werde ich ohnehin wieder etwas zu Lachen brauchen. Ah, hier kommt Euer Page.« Voller böser Ahnungen verließen die Wurrlinge das Quartier von Marschall Vidron und folgten dem Pagen zu Hauptmann Jarriels Kommandoposten, der im Zentrum der Burg an der Kreuzung zweier Hauptkorridore lag. Sie mussten ein wenig warten, denn Hauptmann Jarriel war nicht da.
»Vielleicht ist er bei König Aurion«, mutmaßte Tuck, aber das ließ sich unmöglich feststellen. Schließlich traf der Hauptmann ein und ließ die Wurrlinge zu sich kommen. Tuck erwartete einen wütenden Wortwechsel zwischen
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