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Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Titel: Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarita Kinstner
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faltet die Zeitung zusammen und schaut Palicini zu, wie er die Pfanne vom Herd nimmt und dabei die Flamme kleiner dreht.
    »Sag, wie geht’s eigentlich dem Joe?«, fragt Kurt. »Den hab ich auch schon eine Weile nicht mehr gesehen.«
    Ergriffen hält Palicini in der Bewegung inne, die Pfanne noch immer zehn Zentimeter über dem Herd.
    »Hast du nix gehert? Joe ist von Bricke gehupft!«
    »Nicht wahr!« Dem Achselzucken Kurts folgt der obligatorische Griff zur Zigarette. »Was willst schon machen, wenn einer nicht mehr leben mag.«
    Wien, gelobte Stadt des Theaters, die du wahrhafte Talente gebierst, nichts, das einen Wiener nicht anrührt, möge er auch noch so teilnahmslos wirken auf jeden, den sich diese Stadt nicht von Geburt an einverleibt hat.
    Ein Klackern lässt Palicini zusammenzucken, geräuschvoll landet die Pfanne auf der Herdplatte. Die Luft wird von einem Zischen erfüllt – nicht etwa vom Öl, sondern vom Großmeister der Palatschinken selbst.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«
    »Chefe, da will einer Tunke zu Schnitzel«, schiebt sich das Gesicht des pakistanischen Kellners durch die Holzperlen des Vorhangs.
    »Was soll das sein, Tunke?«, keppelt Palicini. »Wenn Idiot unser Essen nicht passt, soll er gehen! Ich sag dir, Kurti, irgendwann lass ich die nicht mehr herein. Dann gibt es nur noch das, was gut ist. Schnitzel, pfff!«
    Mit einem kunstvollen Schwenker aus dem Handgelenk wirft Palicini die Palatschinke in die Höhe. »Wiener Schnitzel, dass ich nicht lache. Weißt du, woher Schnitzel kommt? Aus China. Hab ich gelesen in so eine Internetseite.«
    Kurt hat andere Sorgen als Schnitzel, Kurt denkt an Joe. Ein kleiner Rotzbub ist er gewesen, ein ausgefuchster Kerl, aber Kurt hat ihn gern gehabt. Verdammt schade um ihn. Als Palicini ihm den Teller mit der Powidlpalatschinke hinstellt und hinter einer kleinen Holztür verschwindet, dämpft Kurt die Zigarette aus. Bis er jedoch dazu kommen wird, die Palatschinke zu essen, wird sie kalt sein. Aber dann wird er ohnehin keinen Appetit mehr haben. Denn gerade als Kurt mit der Gabel in den weichen Teig stechen will, nimmt Palicini ihm gegenüber Platz und legt ein Kuvert neben Kurts Teller.
    »Kannst du Geheimnis behalten? Joe hat mir etwas aufgetragen. Steht alles da drin.«
    Die Finger an der Serviette abwischend, zieht Kurt die gefalteten Blätter aus dem Kuvert, stellt den Teller mit der Palatschinke mit einem wehmütigen Blick beiseite und fischt in seiner Brusttasche nach der Lesebrille.
    »Was soll das sein?«
    »Lies, Kurti, lies!«
    Ein wenig stolz ist Palicini ja schon, um nicht zu sagen: mächtig stolz. Dass Joe ausgerechnet ihn auserwählt hat, um die Sache einzufädeln. Pavel Palicini als Testamentsvollstrecker. Auch wenn es komplett verrückt ist, was Joe da von ihm verlangt. So ganz durchschaut hat Palicini das Ganze ja bis heute noch nicht.
    »Weißt du?«, hat Joe Palicini gestanden, als er drei Tage vor seinem finalen Sprung in den Donaukanal im Hinterzimmer des Gasthauses gesessen ist und Palatschinken in sich hineingeschaufelt hat, hungrig wie immer, ganz und gar nicht wie einer, der seinen Tod schon bis in alle Einzelheiten geplant hat. »Es war alles falsch. Ich bin gestrandet. Endgültig.« Palicini hat sich nicht viel dabei gedacht, Joe ist ja immer schon ein melancholischer Typ gewesen. Wiener eben. Doch dann hat ihm Joe dieses Kuvert überreicht und gesagt: »Falls mir etwas zustößt.« An alle möglichen Dinge hat Palicini gedacht, an Pokerschulden und Finger brechende Drogendealer, da ist seine sizilianische Vorstellungskraft eben mit ihm durchgegangen. Aber Selbstmord?
    »Erste Wiener Hochschaubahn. Der ist ja komplett verrückt!«, stößt Kurt aus, gerade in dem Moment, als der Perlenvorhang erneut klackert.
    »Chefe, der will sich jetzt beschweren!« Panik im Gesicht des Kellners.
    »Was will er sich beschweren?«, fuchtelt Palicini mit den Händen. »Tunke, Tunke! Wird Panier ganz aufgeweicht, das gibt’s nicht bei Palicini! Schlimm genug, dass wir diese Gestank haben, soll er froh sein, dass er Schnitzel bekommt. Sag ihm: Echte Wiener Schnitzel, dazu gibt es keine Tunke. Wenn er Saft will, soll er Gulasch essen! Und jetzt geh, wir haben was zu besprechen.«
    Schulterzuckend schiebt sich das zerknitterte Gesicht des Kellners zurück, gefolgt vom abermaligen Klacken der Perlen.
    »Willst du eine Mokka? Oder eine Grappa?«
    Gar nicht gut sieht er aus, der Kurt, wie er so dasitzt mit den Zetteln in der Hand. Richtig

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