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Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Titel: Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarita Kinstner
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bleich ist er. Der wird mir doch nicht umkippen?, denkt Palicini.
    »Was soll ich mit einem Mokka?«, sagt Kurt.
    Palicini manövriert seinen böhmisch-mafiösen Hintern an Herd und Gewürzregal vorbei und kommt mit einer schlanken Flasche wieder. Er schenkt zwei Grappagläser randvoll, stürzt den Inhalt des seinen hinunter, spürt das Brennen, dann die Wärme, träge und zäh wie ein Lavastrom fließt sie durch seine Eingeweide.
    Ausgerechnet den Prater hat sich Joe ausgesucht. Das ist etwas, das Palicini nie verstehen wird. Diese Hans-Moser-Mentalität, diese Lächerlichkeit selbst noch im Sterben. Gery, denkt er, ist verrückt genug, um mitzuspielen, allein schon wegen Joe. Und auch wegen Marie. Denn dass Gery Joes Freundin schon immer gemocht hat, weiß jeder im Palatschinkenpfandl. Aber Marie? Warum sollte Marie sich darauf einlassen?
    »Was wirst du tun?«, fragt Kurt und hält dem Wirt das leere Schnapsglas unter die Flasche.
    Palicini schenkt nach, stellt die Flasche auf den Tisch, faltet die Blätter wieder zusammen und stemmt sich an der Tischkante hoch.
    »Was soll ich schon machen? Letzte Wille muss man ehren.«

14  Die ideale Kraftnahrung sind Menüs von McDonald’s, alles echt aus Österreich, das Rindfleisch und auch die Kartoffeln, sogar die Äpfel in der Apfeltasche sind saftig und steirisch. Nur das Frische merkt man ihnen nicht mehr so an. Jakob schwingt durch die Tür, die Tür schwingt zurück und landet auf der Nase eines Teenagers, doch davon bekommt Jakob nichts mit, denn er sieht in eine andere Richtung. Diese brünetten Haare, die sich wie ein Kätzchen in die rote Jacke des Athleten schmiegen, die kennt er doch!
    Da steht sie. Seine Exfreundin,
seine
Sonja, mitten in der McDonald’s-Schlange, neben einem Typen Marke Skilehrer, braun gebrannt und vital. Den hat sie sich bestimmt beim Joggen aufgerissen, denkt Jakob, um sechs Uhr morgens im Auer-Welsbach-Park, sie im gelben Reebok-Laufgewand, er in blauer Adidas-Montur, einen schwarzen Langhaarschäfer an der Leine. Jakob stellt sich vor, wie die beiden einander die verschwitzten Laufdressen vom Leib schälen, komm schon, eine Nummer geht noch, bevor du in dein graues Kostüm steigst, und schon wirft der Sportfanatiker Sonja auf die gelbe Designercouch, aber nicht doch, nicht hier, du machst noch Flecken auf den Teppich!
    Was findet sie bloß an so einem, der sitzt bestimmt das ganze Wochenende vor ihrem Flachbildschirm. Man kennt diese Typen. Holen sich ihre Muskeln im Fitnesscenter und die Bräune im Solarium, denkt Jakob trotzig. Da wird Sonja aber schauen, wieder nichts mit Wienerwald, in der Tür wird sie stehen und sagen: Komm, das Wetter ist so schön, schau, wie die Sonne scheint, doch er wird sich nur an den Eiern kratzen und beim Schispringen zusehen. Nimm doch den Hund mit, wird er sagen, der freut sich bestimmt, und er wird sich auch freuen, denn jetzt hat er eine Dumme gefunden, die seinen Nero Gassi führt.
    Und er hat sich ein schlechtes Gewissen gemacht. Nun ja, nicht wirklich lange, aber doch ein wenig. Keine drei Monate ist es her, dass er Sonja den Schlüssel auf den Tisch gelegt hat, und schon schmiegt sie sich an einen anderen. Aber was regt er sich auf, soll sie doch ins Bett gehen, mit wem sie will, er hat ja Marie, seine wunderbare Marie, seine duftende, lachende Marie, seinen Sonnenschein, sein Freudental, seine große Liebe, Marie, Marie, Marie! Selig die Verliebten, denn ihnen gehört das Himmelreich. Und schon schwankt und torkelt Jakob ins Glück und zum zweiten Mal in den Teenager, der umfällt und sich denkt: Vielleicht hat die Mama ja doch recht, vielleicht ist dieses Fast Food wirklich nicht gesund, hier ist tatsächlich alles ein wenig zu
fast
, die Türen und auch die Gäste. Und so verliert McDonald’s einen treuen Gast an die Kette
Biofood
, und der Teenager seine Pickel und Fettschwarten – das Schicksal ist eben doch manchmal gnädig. Jakob hält ihm die Hand hin, zieht ihn mit einem entschuldigenden Grinsen hoch und taumelt weiter zum nächsten Imbissstand.
    Sonja bekommt von alledem nichts mit (so leise fällt der Teenager), auch taumelt und torkelt sie nicht, denn weder ist sie verliebt, noch wird sie geliebt. Jakobs lächerlicher Anflug von Eifersucht wäre also nicht nötig gewesen. Walter, der braun gebrannte Athlet, ist nun schon der Dritte aus dem Internet. Sonja trifft sich mit potentiellen Vätern und übt mit ihnen den Zeugungsakt. Nach dem Bürstenhaarschnitt aus der Innenstadtbar

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