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Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Titel: Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarita Kinstner
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beide Ohren verliebt ist, was soll da eine Mutter schon ausrichten? Und Sofia war verliebt, nicht nur in Hugo, sondern auch in die Idee, Palermo zu verlassen. Also stieg sie in den Zug, mit nichts anderem als einer alten Ledertasche, zwei Kleidern, ein paar Unterhosen und einem Nachthemd. Bis zur Grenze schlug Hugo immer wieder die Augen auf, um nachzusehen, ob es wirklich wahr war, dass sie auf der Liege über ihm lag. Allein schon ihr leises Schnarchen kam ihm vor wie ein Wunder. Sechs Wochen zuvor war er allein nach Sizilien aufgebrochen, jetzt kam er mit einem Engel nach Graz zurück.
    Doch die Zollbeamten beschlagnahmten Sofias Lachen, ließen es nicht einreisen.
    So ist das mit dem Glück. Da wünscht man sich etwas ganz fest, und kaum hat man es, möchte man es am liebsten wieder hergeben. Sobald Sofia Palermo verlassen hatte, sehnte sie sich auch schon wieder zurück, zur Familie, zu den Freunden, zu den engen Gassen und der Meeresluft. Die Liebe zu Hugo war trotzdem stärker, Sofia blieb.
    Nach zwei Jahren kam das Kind, Laetitia Maria, die Freude, die Fröhlichkeit. Stolz hielt der Vater das Bündel im Arm. »Schau!«, sagte er, »so schau doch nur!«, doch Sofia wollte nicht schauen. Sie klappte die Lider wie Rollläden nach unten und ließ ihn mit der Tochter im Arm stehen, inmitten von Blumen und Teddybären.
    »Sofia hab ich wirklich geliebt«, sagt Hugo Steinwedel und legt die Handflächen um das Bierglas. Die geröteten Augen, die an der Tischplatte haften, erwarten keine Antwort.
    »Vergiss die Vergangenheit, jetzt hast du ja die Helga«, tätschelt Franz Hugos Unterarm. »Die ist doch ein Vollblutweib, was willst denn mehr in deinem Alter?«
    »Vergessen«, schnaubt Hugo. »Das sagt die Laetitia auch immer. Manchmal hab ich fast das Gefühl, sie verachtet mich, weil ich ihre Mutter nicht vergessen kann.«
    »Und recht hat sie«, zieht Franz den Arm zurück. »Man kann doch nicht ewig der Vergangenheit nachweinen. Nimm mich, dreimal geschieden, was soll ich denn sagen? Aber beschwer ich mich? Nein. Und wenn du die Helga nicht willst, dann nehm ich sie. So ohne Frau ist das nämlich nichts, das sag ich dir. Wenn du nach Hause kommst und keiner wartet auf dich.«
    »Von mir aus kannst sie haben, die Helga«, brummt Hugo. »Nimm sie nur, ich mag sie eh nicht, sie geht mir auf den Nerv. Ständig klopft sie an meine Tür. Ich mag das nicht, die soll mich in Ruhe lassen.«
    Ja, Sofia hat er geliebt. Sofia mit dem Geruch nach frisch gebackenen Cantuccini, nach Mandeln und Honig, nach Süße und Leichtigkeit. Gleich wird er zu ihrem Blumenkleid gehen. Gestern hat er es wieder zwischen die Cantuccini-Packungen gelegt, denn von Susis Duft ist schon lange nichts mehr übrig gewesen.
    Susi. Auch sie hat nach Mandeln gerochen. Ihr hat er das Kleid übergezogen, ganze drei Tage lang hat sie es für ihn tragen müssen. »Was soll ich denn mit diesem alten Fetzen?«, hat sie gejammert. »Kauf mir doch etwas Schönes, in so etwas kann ich mich doch nicht anschau’n lassen!« Also hat er versprochen, ihr etwas Schönes zu kaufen. »Alles, was du willst«, hat er gesagt, »aber erst einmal trägst du dieses Kleid.« Und Susi hat es getragen, nicht weil sie das Kleid schön gefunden hat, aber weil sie es schön gefunden hat, dass Hugo ihren Duft einfangen wollte. Der muss mich aber lieb haben, hat sie gedacht, dabei hat er sie nicht anschauen können, die dürre Susi mit den blonden Strähnen. Billig hat sie ausgesehen, billig und verlebt. Nach drei Tagen hat er ihr das Kleid wieder weggenommen und sie aus seiner Wohnung geschmissen. In der Tür hat er ihr noch einen Hunderter hingehalten und gesagt: »Hier, kauf dir was Schönes, aber lass mich in Ruh!«
    Und auch er hat sich etwas Schönes gekauft: Eine Gummi-Sofia, im Sexshop am anderen Ende von Graz. Dann hat er ihr das Kleid angezogen, seinen Kopf zwischen ihren duftenden Brüsten vergraben, und endlich hat er wieder eine Nacht durchschlafen können.
    Als auch der Susiduft verflogen war, ist er auf die Idee mit den Keksen gekommen. Man muss das Kleid nur mit den Cantuccini in einen Plastiksack legen, dann riecht es am Abend wieder nach Sofia. Dann kann er sein Ohr an ihr stilles Herz legen und von ihr träumen. Ein wenig bröselig ist sie zwar, seine Sofia Zwei, aber besser als Helga allemal.
    Und so vergräbt Hugo auch in dieser Nacht wieder seinen Kopf im Busen seiner Gummisofia, als es plötzlich an der Haustür klingelt.
    Hugo steht auf und geht zur Tür. Und

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