Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
es jetzt noch schmecken!«
    Dixie Goodloe erinnerte sich daraufhin an den Boden des kulinarischen Fasses in seiner Kindheit zu Depressionszeiten.
    »Wir waren so arm, daß es meistens nix zu essen gab, und wenn ich sage nix, meine ich nix. Einmal ist mein Daddy vor Verzweiflung rausgegangen und hat einen Kojoten geschossen und zerlegt, und wir hatten Kojotensuppe. Und ich kann euch versichern, daß wir nicht die einzigen waren.«
    »Wie hat es geschmeckt?«
    »Damals war es das verdammt Leckerste, was ich je zu essen gekriegt habe.«
     
    Im Old Dog wurde alles auf den langen Tischen aufgereiht, von der Suppe rechts bis zu den Kuchen links. Die Kundschaft kam herein, nahm Besteck und Teller und bediente sich. Jeder Rancher und Farmer, jeder Erdölarbeiter, Cowboy und Lastwagenfahrer aus der motorisiert erreichbaren Umgebung stellte sich zu der großen Mittagsmahlzeit ein; es waren zu viele Männer, als daß Frauen sich unter ihnen wohl gefühlt hätten. Das Lokal wurde eine Art Männerclub mit beinahe identischen Besuchern – meist jenseits der Fünfzig, allesamt in verdreckten Jeans und mit Cowboyhüten, im Winter aus Filz, im Sommer aus Stroh. Cys Hund schlief unter den Tischen zwischen denStiefeln mit ihrem Dunggeruch. Ab und zu stellte Cy ihm einen Unterteller Kaffee mit Sahne hin und sagte: »Mal sehen, ob dich das wach hält.«
    Der alte Anwalt, F. B. Weicks, war Cys allererster Gast und kam von da an jeden Tag pünktlich um zwölf Uhr. Er trug einen weißen Cowboyhut, in den Nacken geschoben, und einen alten blauen Anzug, der vor Abgenutztheit glänzte. Seine Augen wirkten riesengroß hinter den runden Plastikbrillengläsern, die er im Billigladen in Pampa kaufte. Er hatte eine weiche birnenförmige Nase, die an einen Penis erinnerte, und jeden Tag reichte Cy ihm einen Teller mit seinem Leibgericht, einer großen Kartoffel, gefüllt mit Thunfischcreme. Er unterhielt sich mit niemandem, saß in der Ecke, aß seine Kartoffel und trank zwei Dr. Peppers mit Limonengeschmack. Er gab immer einen Vierteldollar Trinkgeld und grüßte Cy von der Tür aus, bevor er sich in sein Anwaltsleben zurückbegab.
    Innerhalb einer Woche nach Eröffnung des Old Dog erschienen die ersten Kritzeleien an den Wänden des Herrenklos. Die erste lautete: Okies, der Kandiszucker im Pissoir ist nicht für euch gedacht. Doch im Verlauf der Monate bekam sie Gesellschaft – Jesus kommt! und, in anderer Schrift, Wir kriegen ihn wieder sowie Das Klopapier ist eine Spende von den texanischen Kieswerken.
    Das Old Dog wurde Bobs Stützpunkt, und hier erfuhr er von Männern, die wie liegengelassene Maschinen auf ihren Stühlen hingen und die Glieder ausstreckten, daß eine Pivot-Bewässerungsanlage auf hunderttausend Dollar pro Abschnitt kommen konnte, daß die Gegend für Baumwolle zu kalt war, aber unvorstellbare Mengen Weizen, Hirse, Sorghum, Alfalfa, Mais und Soja für den nationalen und den internationalen Markt und als Futter für die Hunderttausende Mastrinder und Mastschweine, die dem Panhandle-Gebiet seine typische Duftmarke bescherten, erzeugt wurden. »So stinkt Geld«, sagte Harvey Dimple, ein unabhängiger Schweinezüchter, den die Agrarfabrikenunerbittlich an die Wand drängten. Bob, der sich als Scout für Luxusruhesitze im Auftrag einer Immobilienfirma vorgestellt hatte, hielt den Mund und hörte zu, die Ohren gespitzt für den Fall, daß jemand sich als verkaufswillig erweisen sollte. Die Redenden freuten sich über den neuen und neugierigen Zuhörer.
    »O ja, die Farmer haben spitzgekriegt, wie man dem Pan- handle beibringt, ›Geld‹ zu sagen statt ›Gras‹, und seitdem heißt die Gegend ›Goldgürtel‹. Und das lockte die Geldsäcke an, wie man sich denken kann. Das Geld haben die bis nach New York gerochen, bis nach Japan.«
    »Das stimmt«, sagte Mark Farwell, ein schmalbrüstiger Mann mit eingefallenem Gesicht, dem das fettige Haar in die Augen hing; er verdiente viel Geld am Östrogenmarkt mit dem Urin seiner trächtigen Stuten. »Wir haben hier das fruchtbarste Ackerland der Welt, solange uns das Wasser nicht ausgeht.«
     
    Zwei ältere Ortsansässige hießen beide Bob William, ein Problem, das die anderen umgingen, indem sie die beiden nach ihrer Haarfarbe nannten, Buckskin Bill den einen wegen seiner weißgoldenen Haare und seines dunklen Barts und Sorrel Bill den anderen wegen seines rötlichen Haarschopfs, Achselhaars und Schamhaars. Jetzt sprach Buckskin Bill.
    »Zum Teufel, wir sind nicht in Kalifornien, wo

Weitere Kostenlose Bücher