Mitternachtslöwe (German Edition)
Sophia.
»Dann sollten wir versuchen dich möglichst bei guter Laune zu halten«, scherzte Abaris, »Odi wird uns da bestimmt einige Tipps geben können. Ich habe noch nie jemanden so viel grinsen sehen.«
Sophia und Abaris lachten.
»Ja, er ist wirklich ein fröhliches Kerlchen«, strahlte Sophia.
Den ganzen Tag über zwangen die Wolken die Sonne sich von ihnen verspotten zu lassen. So blieb das Einzige was sie zustande brachte der graue Schatten, der sich über das Land legte. Keine Menschenseele kam die Straße rauf oder runter. Nur ein paar Rehe schauten vorbei, um zu sehen was der wundersame Besuch an der Mühle wohl treiben mochte.
Odilo und Byrger erwachten, als das letzte Licht der Sonne zu erlöschen begann. Nach einer kurzen Stärkung mit Brot und kühlem Wasser zäumten sie die Pferde und fuhren hinein in die Nacht.
Sie machten einen großen Bogen um Hamburg wodurch sie zwar Zeit verloren, aber dieses Übel nahmen sie in Kauf, um keines Falls den dortigen Besatzungen des Regimes in die Fänge zu gehen.
Odilo erzählte, dass es in Hamburg besonders schlimm sein sollte. »Die Federmäntel haben die Bewohner gefangen genommen, quälen, foltern oder töteten sie einfach zum Spaß. Die Häuser stecken sie in Brand. Seit Wochen brennt die ganze Stadt.« Odilo warf einen Blick gen Himmel. »Meilenweit sind die Feuer zu sehen.«
Und tatsächlich meinte Sophia einen orange- bis rotfarbenen Lichtschein am Himmel zu erkennen, als hätte sich in ungreifbarer Ferne ein Loch aufgetan und die Feuer der Unterwelt würden die Schwärze der Nacht langsam in sich hinein saugen. Zum ersten Mal wurde Sophia bewusst, wie gefährlich doch ihre Reise, und die Lage in der sich die gesamte Welt befand, war.
Mehrere Nächte verbrachten sie so auf holprigen, schmalen Straßen, die das Vorankommen erheblich erschwerten. Tagsüber fanden sie Schutz in alten Ställen, Scheunen oder sie schliefen in der Kutsche abseits des Weges. Sie ließen Hamburg unentdeckt hinter sich und fuhren auf gutem Wege Richtung Hannover.
Je tiefer sie ins Landesinnere vordrangen, um so düstere Gestalt nahm die Landschaft an. Stinkende Moore, übersät von vermoderten Bäume, die ihre knochigen, dürren Finger in die Höhe streckten, als wollten sie die Wolken herunterreißen und sie verspeisen, verdrängten die blattlosen, aber dennoch lebendigen Wälder. Ein widerlicher, fauliger Gestank stieg aus den Wassern nach oben. Die Sonne verlor nun endgültig den Kampf um die Vorherrschaft des Firmaments. Das trübe grau des Himmels verkam zu einem unheilvollem schwarz. Tag und Nacht setzten sich gleich, waren kaum noch zu unterscheiden.
Sophia war nicht nach schlafen zu mute. Die Gegend, welche sie gerade durchfuhren, hinterließ einen kalten Schauer auf ihrem Rücken. Abaris und Byrger hingegen schlummerten tief und fest. Auch Emma hatte sich zusammengerollt und lag an Odilos Seite.
Sophia gesellte sich zu Odilo, der wie jede Nacht das Gespann durch die Dunkelheit steuerte. »Was hat dich nach Lübeck verschlagen, so weit weg von deiner Familie?«, fragte sie Odilo neugierig.
»Ich hatte vor zur See zu fahren, Abenteuer erleben«, grinste Odilo, »Aber da ist leider nichts draus geworden.«
»Warst du zum Deck schrubben nicht gut genug?«, flachste Sophia.
Odilo verstand den Scherz und lachte. »Nein, nein. Die Seefahrer haben so schon genug Sorgen, da ist für einen unerfahrenen Burschen wie mich kein Platz. Ich hatte schon überlegt, ob ich mich nicht heimlich auf einen dieser richtig großen Segler schleiche, mich einfach irgendwo hin treiben zu lassen.«
»Dann hättest du auf jeden Fall dein Abenteuer bekommen.«
»Ja, aber als blinder Passagier auf offener See erwischt zu werden, hätt mir nicht mehr eingebracht als einen Gang über die Planke. Also hab ich's gelassen.«
Sophia zuckte zusammen, als plötzlich ein lauter Knall die Worte zerriss. Lautes Geschrei und das Donnern unzähliger Pferdehufe drang wie aus dem Nichts von hinten. Dunkle Gestalten auf schwarzen Pferden näherten sich der Kutsche. Erst Zwei, drei, dann vier und immer mehr wurden es.
»Verdammt«, schrie Odilo, »was wollen diese Kerle?«
»Nichts Gutes befürchte ich. Treib die Pferde an, bleib ja nicht stehen!«
Völlig schlaftrunken streckten Byrger und Abaris ihre Köpfe aus dem Fenster der Seitentür.
»Was geschieht hier?«, fragte Byrger nüchtern.
»Wir bekommen Gesellschaft.«, sagte Sophia und zeigte auf die brüllende Meute, die ihrem Gespann immer näher
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